Rz. 67
Die Zuständigkeit am Begehungsort einer unerlaubten Handlung hängt nicht vom Inhalt des geltend gemachten Anspruchs oder von der Klageart ab: Es können dort also sämtliche Leistungs- und Feststellungsbegehren verfolgt werden, die sich auf eine unerlaubte Handlung gründen (§§ 249 ff. BGB). Erfasst werden daher auch (vorbeugende) Unterlassungsklagen und negative Feststellungsklagen (siehe dazu § 26 Rdn 167 ff.). Umstritten, aber insbesondere mit Blick auf die Sach- und Beweisnähe des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung zu bejahen ist, dass dies auch für negative Feststellungsklagen des Schädigers gilt; dafür spricht zudem die prozessuale Waffengleichheit. Die Gefahr, dass der Schädiger als Schuldner dem Geschädigten als Gläubiger einen diesem nicht genehmen Gerichtsstand aufzwingen kann, besteht bei innerstaatlichen Streitigkeiten ohnehin nicht, weil es hier dem Gläubiger ungeachtet der negativen Feststellungsklage freisteht, seinen Anspruch in einem anderen Gerichtsstand mittels Leistungsklage geltend zu machen (siehe auch § 26 Rdn 179). Zu Klagen im Anwendungsbereich der EuGVVO siehe § 29 Rdn 77.
Rz. 68
Wird bei Darlegung einer unerlaubten Handlung mit der hierauf gestützten Klage ein einheitlicher prozessualer Anspruch geltend gemacht, hat das insoweit örtlich zuständige Gericht den Rechtsstreit nicht nur unter dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung, sondern unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen und zu entscheiden, da der Gesetzeswortlaut nicht an materiell-rechtliche Kategorien, sondern an den mit der "Klage" geltend gemachten prozessualen Streitgegenstand anknüpft. Lässt sich das Begehren des Klägers – bei gleichbleibendem Lebenssachverhalt – auf mehrere materiell-rechtliche Anspruchsgrundlagen, beispielsweise Delikt (§ 823 BGB) und Vertrag (§ 280 BGB), stützen (Anspruchskonkurrenz), so ist also über alle zu befinden. Die abweichende ältere Rechtsprechung ist überholt.
Rz. 69
Abweichende Gerichtsstandsvereinbarungen sind unter den allgemeinen Voraussetzungen (§§ 38 ff. ZPO) grundsätzlich möglich, insbesondere wenn die unerlaubte Handlung bereits begangen ist (§ 38 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Bei zukünftigen unerlaubten Handlungen muss die Vereinbarung allerdings im Hinblick auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis getroffen worden sein (§ 40 Abs. 1 ZPO).
Rz. 70
Der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung regelt in seinem Anwendungsbereich mittelbar grundsätzlich auch die Grenzziehung zwischen der internationalen Zuständigkeit deutscher und ausländischer Gerichte. Etwas anderes gilt allerdings im Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO a.F.) und deren ab dem 10.1.2015 geltenden Neufassung (EuGVVO). Näheres zur internationalen Zuständigkeit siehe unten § 29.