Rz. 20
Wird eine Klage beim Zivilgericht eingereicht, so prüft dieses zunächst, ob es den beschrittenen Rechtsweg für zulässig hält. Dabei ist grundsätzlich das Vorbringen beider Parteien zu berücksichtigen und gegebenenfalls Beweis zu erheben. Anders liegt es nur bei sog. "doppelrelevanten Tatsachen", die also nicht nur für die Entscheidung über den Rechtsweg maßgeblich sind, sondern auch notwendiges Tatbestandsmerkmal des geltend gemachten Anspruchs; insoweit ist die Richtigkeit des Vorbringens – für die Prüfung des Rechtswegs – zu unterstellen. Hält das (Zivil-)Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg für zulässig, so liegt es – sofern keine der Parteien die Zulässigkeit des Rechtswegs rügt – im nicht nachprüfbaren Ermessen des angerufenen Gerichts, ob es vorab hierüber entscheidet (§ 17a Abs. 3 GVG). Ergeht kein entsprechender Beschluss, so ergibt sich die Zulässigkeit des Rechtswegs allein daraus, dass das Gericht in der Sache entscheidet. Andere Gerichte sind an diese Entscheidung gebunden (§ 17a Abs. 1 GVG), auch das zuständige Rechtsmittelgericht prüft nicht mehr, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist (§ 17a Abs. 5 GVG).
Rz. 21
Hält das angerufene Gericht den eingeschlagenen Rechtsweg für unzulässig, so weist es nicht die Klage als unzulässig ab, sondern spricht die Unzulässigkeit des Rechtswegs nach Anhörung der Parteien von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs (§ 17a Abs. 2 S. 1 GVG). Der Beschluss ist für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtswegs bindend (§ 17a Abs. 2 S. 3 GVG).
Rz. 22
Nur bei krassen Rechtsverletzungen kommt ausnahmsweise eine Durchbrechung dieser gesetzlichen Bindungswirkung in Betracht. Dies ist etwa anzunehmen, wenn die Verweisung sich bei Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Normen in einer – für die Parteien, nicht das Gericht, an das verwiesen wird – nicht mehr hinnehmbaren, willkürlichen Weise von dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt oder auf der Versagung rechtlichen Gehörs gegenüber den Verfahrensbeteiligten beruht und damit unter Berücksichtigung elementarer rechtsstaatlicher Grundsätze nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist. Für eine Durchbrechung der Bindungswirkung, wie sie im Anwendungsbereich des § 281 Abs. 1 ZPO insbesondere für objektiv willkürliche Entscheidungen anerkannt ist, ist dagegen grundsätzlich kein Raum. Unabhängig davon hat das infolge der Bindungswirkung zuständige Gericht die Verfahrensordnung anzuwenden, die für den Streitgegenstand tatsächlich einschlägig ist.
Rz. 23
Eine Zuständigkeitsbestimmung durch das im Rechtszug nächst höhere Gericht (§ 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO) kommt lediglich in Betracht, wenn es innerhalb eines Verfahrens zu Zweifeln über die Bindungswirkung von unanfechtbaren Verweisungsbeschlüssen kommt und keines der in Frage kommenden Gerichte bereit ist, die Sache zu bearbeiten oder die Verfahrensweise eines Gerichts die Annahme rechtfertigt, dass der Rechtsstreit von diesem nicht prozessordnungsgemäß gefördert werden wird, obwohl er vor ihm anhängig ist (§ 17b Abs. 1 GVG).
Rz. 24
Gegen einen Beschluss, der den Rechtsweg für zulässig (§ 17a Abs. 3 GVG) oder unzulässig (§ 17a Abs. 2 GVG) erklärt, findet die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung statt (§ 17a Abs. 4 S. 3 GVG, vor den Zivilgerichten i.V.m. §§ 567 ff. ZPO). Dies gilt nicht bei einer Entscheidung über den zulässigen Rechtsweg in einem Prozesskostenhilfeverfahren.
Rz. 25
Durch eine nach Rechtshängigkeit (§§ 261 Abs. 1, 253 Abs. 1 ZPO) eintretende Veränderung der sie begründenden Umstände wird die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs nicht berührt (§ 17 Abs. 1 S. 1 GVG). Umstände, die eine zunächst bestehende Unzulässigkeit des Rechtswegs beseitigen, sind dagegen bis zur letzten Tatsachenverhandlung zu berücksichtigen, wenn nicht zuvor ein (rechtskräftiger) Verweisungsbeschluss ergeht. Während der Rechtshängigkeit kann die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden (§ 17 Abs. 1 S. 1 GVG). Die Verweisung einer Sache innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist in entsprechender Anwendung von § 17a GVG möglich.