Rz. 57
Dies gilt entgegen der früher wohl h.M. auch im Rahmen einer RSB. § 295 S. 1 Nr. 2 InsO statuiert eine Obliegenheit zur Herausgabe der Hälfte des "von Todes wegen erworbenen Vermögens"; hierzu würde dem Wortlaut nach auch der bereits mit dem Ableben entstandene Pflichtteilsanspruch gem. § 2317 Abs. 1 BGB zählen, so dass die RSB versagt werden müsste, wenn der Gemeinschuldner einer Verbraucherinsolvenz den entstandenen Pflichtteil nicht geltend macht (also durch Untätigkeit verjähren lässt oder gar durch Erlassvertrag beseitigt). Der BGH zieht jedoch eine Parallele zum Schutz der Entscheidungsfreiheit hinsichtlich einer Ausschlagung der Erbschaft (Rdn 54) und betont, die Ablieferung des geltend gemachten Pflichtteils nur zur Hälfte sei als gesetzgeberischer Anreiz, ihn einzufordern, nur verständlich vor dem Hintergrund einer an sich nicht gegebenen Obliegenheit der Geltendmachung (auch ein angefallenes Vermächtnis ist erst nach Annahme zur Hälfte abzuliefern). Die Situation unterscheidet sich also nicht von der Behandlung des Pflichtteils in der Regelinsolvenz, § 36 Abs. 1 InsO.
Rz. 58
Wird allerdings der Pflichtteilsanspruch nach Ablauf der Wohlverhaltensphase (also nach Beendigung der Abtretungserklärung und Schlusstermin gem. § 197 InsO) anerkannt oder rechtshängig gemacht, findet eine Nachtragsverteilung statt, da i.S.d. § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO "nachträglich Gegenstände der Masse ermittelt wurden" (wie in Rdn 56 erläutert, gehört der – in seiner Verwertbarkeit aufschiebend bedingte – Pflichtteilsanspruch bereits als solcher zur Insolvenzmasse; der nachträgliche Eintritt der Verwertbarkeit eines bereits bekannten Anspruchs ist dem gesetzlichen Tatbestandsmerkmal der nachträglichen "Ermittlung" eines bisher noch nicht bekannten Anspruchs im Wege des Erst-Recht-Schlusses gleichgestellt). Ein bereits während der Regelinsolvenz erworbener Pflichtteilsanspruch ist dabei in voller Höhe, ein während der Wohlverhaltensphase erworbener zur Hälfte seines Wertes zur Nachtragsverteilung heranzuziehen (Letzteres str.).
Rz. 59
Ähnlich ist die Rechtslage in Bezug auf (noch) nicht geltend gemachte Vermächtnisse: Nach der bereits in der Literatur überwiegend vertretenen, vom BGH bestätigten Auffassung trifft den Bedürftigen weder (1) im Verhältnis zum "normalen Gläubiger" eine anfechtungsrechtliche noch (2) im Verhältnis zum Insolvenzverwalter eine insolvenzrechtliche Verpflichtung bzw. (3) auf dem Weg zur RSB eine aus § 295 S. 1 Nr. 2 InsO zu schöpfende Obliegenheit, das Vermächtnis anzunehmen. Auch eine (4) Gläubigeranfechtung scheidet insbesondere aus, da (anders als bei der Erbschaft) kein "von-selbst-Erwerb" eintritt, der durch die Ausschlagung beseitigt werden würde; das Recht zur Annahme bzw. Ausschlagung des Vermächtnisses kann ferner nicht von der Vermächtnisnehmerstellung getrennt werden, ist also nicht durch Pfändung überweisbar (§ 851 Abs. 1 ZPO) und – mangels Anspruchsqualität, § 93 Abs. 1 SGB XII/§ 33 SGB II – nach derzeitiger Rechtslage auch nicht auf den Sozialleistungsträger überleitbar.