Rz. 71
Zu einer Erbschaft- oder auch Schenkungsbesteuerung kommt es nur, soweit die beteiligten Personen in Deutschland – unbeschränkt oder beschränkt – steuerpflichtig sind. Daher gilt es – ungeachtet der Reihenfolge des Gesetzes – stets zunächst die Frage nach der persönlichen Steuerpflicht zu beantworten. Diese ist in § 2 ErbStG geregelt.
Ähnlich wie bei anderen Steuerarten wird auch bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht unterschieden. Im Fall der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt der gesamte Erbfall bzw. die Schenkung insgesamt der deutschen Besteuerung, unabhängig davon, wie sich das übergehende Vermögen zusammensetzt bzw. wo (weltweit) es belegen ist.
Rz. 72
Eine unbeschränkte Steuerpflicht des Erblassers/Schenkers hat grundsätzlich die unbeschränkte Besteuerung des gesamten Vermögensübergangs zur Folge. Dies gilt unabhängig davon, wer Erwerber ist und ob dieser oder einer von ihnen ebenfalls Inländer ist.
Wird demgegenüber die unbeschränkte Steuerpflicht nur durch den Erwerber (Erbe/Beschenkter) begründet, ist aber der Erblasser/Schenker kein Steuerinländer, gilt diese nur für den bzw. diejenigen Erwerber, in deren Person die Inländereigenschaft vorliegt. Ist nur einer von mehreren Erwerbern (nicht aber der Erblasser/Schenker) Inländer, unterliegt lediglich der auf den inländischen Erwerber entfallende Teil des Erwerbs der unbeschränkten Steuerpflicht. Der Begriff "gesamter Vermögensanfall" in § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 ErbStG greift also bei einem inländischen Erblasser oder Schenker weiter als in dem Fall, in dem nur ein Erwerber Inländer ist.
Rz. 73
Bei nur beschränkter Steuerpflicht unterliegt nur das sog. Inlandsvermögen i.S.v. § 121 BewG der Besteuerung. Dementsprechend ist der Schuldenabzug nach § 10 Abs. 6 S. 2 ErbStG ebenfalls nur eingeschränkt möglich. Es dürfen nur solche Schulden abgezogen werden, die ursächlich und unmittelbar auf Vorgängen beruhen, die das der Besteuerung unterliegende Inlandsvermögen betreffen, also z.B. Darlehen, die zum Erwerb und zur Erhaltung eines inländischen Grundstücks aufgenommen wurden.
Rz. 74
Für alle diejenigen beschränkt steuerpflichtigen Erwerbe, für die die Steuer ab dem 25.6.2017 entsteht, gilt für den persönlichen Freibetrag der neu geregelte § 16 Abs. 2 ErbStG, demzufolge der nach § 16 Abs. 1 jeweils anwendbare, nach dem Verwandtschaftsverhältnis gestaffelte persönliche Freibetrag prinzipiell auch bei beschränkter Steuerpflicht Anwendung findet. Allerdings ist er um "einen Teilbetrag" zu mindern. Dieser Teilbetrag ergibt sich aus der Relation der Summe der Werte des in demselben Zeitpunkt erworbenen, nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Vermögens und derjenigen nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Vermögensvorteile, die innerhalb von zehn Jahren von derselben Person angefallen sind, zum Wert des Vermögens, das insgesamt innerhalb von zehn Jahren von derselben Person angefallen ist.
Rz. 75
Die Beantwortung der Frage, ob bzw. in welchem Umfang eine persönliche Steuerpflicht besteht, entscheidet sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Steuerentstehung (§ 9 ErbStG). Dies ist bei Erwerben von Todes wegen grundsätzlich der Zeitpunkt des Todes des Erblassers (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG), bei Schenkungen die Ausführung der Zuwendung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Von diesen Grundregeln gibt es jedoch Ausnahmen, die den Zeitpunkt der Steuerentstehung mitunter zeitlich nach hinten verschieben (vgl. hierzu unten Rdn 180 ff.).