a) Anwartschaftsrecht des Nacherben
Rz. 172
Beim Eintritt des Vorerbfalls erwirbt der Nacherbe (nur) ein Anwartschaftsrecht, das nichts als steuerpflichtiger Erwerb anzusehen ist Zu einer Besteuerung vor dem Nacherbfall kommt es nur, wenn der Nacherbe sein Anwartschaftsrecht entgeltlich veräußert (§ 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG). Erwerber kann auch der Vorerbe sein. Die Steuer entsteht gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. i ErbStG mit der Übertragung der Anwartschaft.
Rz. 173
Stirbt der Nacherbe vor dem Nacherbfall und ist sein Anwartschaftsrecht vererblich, geht es (zivilrechtlich) auf seine Erben über. Steuerlich stellt es dessen ungeachtet keinen Nachlassbestandteil dar (§ 10 Abs. 4 ErbStG). Zu einer Besteuerung des an die Stelle des ursprünglichen Nacherben tretenden Rechtsnachfolgers kommt es erst bei Eintritt des Nacherbfalls.
b) Nacherbfall mit dem Tod des Vorerben
Rz. 174
Zivilrechtlich ist der Nacherbe (hinsichtlich des Vorerbenvermögens) Erbe des ursprünglichen Erblassers, nicht etwa des Vorerben. Somit erwirbt er auch das Eigentum an den ihm gebührenden Nachlassgegenständen im Wege des Vonselbsterwerbs und ohne, dass es hierzu noch weiterer rechtsgeschäftlicher Übertragungsakte bedürfte. Dessen ungeachtet regelt § 6 Abs. 2 S. 1 ErbStG, dass der Nacherbe so besteuert wird, als habe er die Nacherbschaft vom Vorerben erworben. Persönliche Steuerbefreiungen, Steuerklasse, Freibetrag und Steuersatz richten sich daher grundsätzlich nach dem Verhältnis des Nacherben zum Vorerben.
Nur auf entsprechenden Antrag wird der Nacherbe entsprechend seinem Verwandtschaftsverhältnis zum Erblasser besteuert (§ 6 Abs. 2 S. 2 ErbStG). Der Antrag hat allerdings nur Auswirkungen auf die Steuerklasse bzw. auf diejenigen Aspekte, die mit der Steuerklasse zusammenhängen (persönlicher Freibetrag, Steuersatz etc.).
Rz. 175
Beispiel
Vater V setzt seine Ehefrau F zur Vorerbin ein und seinen Sohn S zum Nacherben. Kurz vor seinem Tod schenkt er S seinen Betrieb. Fünf Jahre später stirbt auch F. Der Sohn wird als Erbe von F besteuert. Die Schenkung des V wird dabei nicht berücksichtigt.
Rz. 176
Oftmals ist der Nacherbe gleichzeitig auch Erbe des Vorerben. In diesem Fall werden die beiden zivilrechtlich eigenständigen Erbschaften nach § 6 Abs. 2 S. 1 ErbStG steuerlich zu einem einheitlichen Erwerb zusammengefasst. Ein Antrag nach § 6 Abs. 2 S. 2 ErbStG führt in diesem Fall dazu, dass dieser Gesamterwerb wieder in Nacherbschaft auf der einen und (unmittelbare) Erbschaft auf der anderen Seite zerlegt wird.
Dessen ungeachtet kommt jedoch nur ein persönlicher Freibetrag zum Ansatz, nämlich der, der sich nach dem Verwandtschaftsverhältnis zum ursprünglichen Erblasser ergibt. Soweit dieser für die Nacherbschaft nicht verbraucht ist, kann er beim anderen Erwerbsteil berücksichtigt werden (§ 6 Abs. 2 S. 4 ErbStG). Die Steuerklasse wird für jeden Erwerbsteil gesondert bestimmt, der Steuersatz aber dennoch jeweils unter Zugrundelegung des Gesamterwerbs (Nacherbschaft und Erbschaft) ermittelt (§ 6 Abs. 2 S. 5 ErbStG).