Rz. 123
Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG unterliegt als Schenkung unter Lebenden grundsätzlich jede freigebige Zuwendung der Schenkungsteuer, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird.
Rz. 124
Als Schenkung in diesem Sinne ist jede substantielle Vermögensbewegung anzusehen, durch die sich eine Person (Zuwendender) zugunsten einer anderen Person (Bedachter) eines Gegenstands ihres Vermögens begibt und dadurch das Vermögen der anderen Person mehrt. Ein Zuwendungsvorgang in diesem Sinne setzt auf der einen Seite die Vermögenshingabe (Entreicherung) durch den Zuwendenden und auf der anderen Seite die unentgeltliche Vermögensmehrung (Bereicherung) beim Bedachten voraus. Unentgeltlichkeit ist anzunehmen, wenn einer Leistung keine äquivalente Gegenleistung gegenübersteht. Ein Zuwendungsvorgang ist erst mit der Ausführung der Zuwendung i.S.v. § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG (grundsätzlich Eigentumsübergang) abgeschlossen. Erst dann ist die Vermögensverschiebung im steuerlichen Sinne endgültig.
Rz. 125
Die für die Verwirklichung des Tatbestandes des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erforderliche Entreicherung des Zuwendenden setzt eine Vermögenshingabe, die sowohl durch rechtsgeschäftliche als auch tatsächliche Handlungen, ggf. auch durch ein Unterlassen erfolgen kann, voraus. Gegenstand der Vermögenshingabe können Rechte, Sachen und alle anderen geldwerten Vermögensgegenstände sein, soweit sie abtretbar oder übertragbar sind bzw. belastet werden können. Dasselbe gilt auch für solche Vermögensgegenstände, auf die der Zuwendende einseitig verzichten kann.
Rz. 126
Weitere Tatbestandsvoraussetzung ist die Freiwilligkeit der Vermögenshingabe. Sie muss also ohne äußeren Zwang oder Drohung vorgenommen werden.
Grundsätzlich werden nur substanzielle Vermögensbewegung besteuert. Ein reiner "Wertübergang" genügt nicht. Dennoch ist § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nicht auf gegenständliche Vermögenshingaben beschränkt. Denn neben der Substanzübertragung kommen auch Gebrauchs- bzw. Nutzungsrechte als Zuwendungsgegenstände in Betracht.
Rz. 127
Eine steuerpflichtige Bereicherung kann auch durch den Wegfall negativer Vermögensgegenstände eintreten. Daher führt z.B. auch der unentgeltliche Verzicht auf Forderungen oder der Erlass von Schulden zu einer freigebigen Zuwendung i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.
Rz. 128
Voraussetzung für den Vollzug einer Zuwendung ist auch ein Vermögenszuwachs im Rechtssinne, also ein rechtswirksames Verfügungsgeschäft über den Zuwendungsgegenstand. Die Ausführung einer Zuwendung nur (verbindlich) zuzusagen, reicht insoweit (noch) nicht. Das gilt auch für die notarielle Erklärung eines Schenkungsversprechens. Steuerbar ist erst dessen Erfüllung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht aber, wenn Zuwendungsgegenstand ein Anwartschaftsrecht ist, das der Schenker an den Erwerber weitergibt. In diesem Fall wird bereits durch den Erwerb des Anwartschaftsrechts der Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG verwirklicht.
Rz. 129
Fällt nach dem Vollzug des Verpflichtungsgeschäfts der Rechtsgrund der Zuwendung weg, ist dies steuerlich prinzipiell unbeachtlich. Das gilt auf jeden Fall dann uneingeschränkt, wenn bzw. soweit der Beschenkte den Zuwendungsgegenstand behält, also nicht herausgibt. Das bloße Bestehen eines entsprechenden Rückforderungsrechts oder eines Herausgabeanspruchs ändert hieran nichts.
Rz. 130
Vor diesem Hintergrund verhindern auch vertraglich vereinbarte Rücktritts-, Widerrufs- und sonstige Rückforderungsrechte den Eintritt einer Bereicherung des Beschenkten grundsätzlich nicht. Bei Grundstücken gilt dies selbst dann, wenn eine Rückauflassungsvormerkung eingetragen wird. Auf den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums im ertragsteuerrechtlichen Sinne kommt es für die Schenkungsteuer nicht an. Etwas anderes gilt nur, wenn der Bedachte im Verhältnis zum Übergeber über den Vermögensgegenstand noch nicht tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann.