aa) Definition
Rz. 56
Eine steuerliche Sondersituation stellt die sog. Betriebsaufspaltung dar. Sie ist gekennzeichnet durch eine enge personelle und sachliche Verflechtung zweier rechtlich selbstständiger Unternehmen, von denen das eine (Betriebsunternehmen) die operativen Geschäfte führt, während das andere (Besitzunternehmen) das Eigentum an wesentlichen Teilen des durch das Betriebsunternehmen genutzten Anlagevermögens hält.
Rz. 57
Eine sachliche Verflechtung besteht, wenn das oder die überlassenen Wirtschaftsgüter beim Betriebsunternehmen wesentliche Betriebsgrundlagen darstellen, wobei bereits die Überlassung einer einzigen wesentlichen Betriebsgrundlage, z.B. des Betriebsgrundstücks, ausreichen kann. Für die "Wesentlichkeit" ist maßgeblich auf eine funktionale Betrachtungsweise abzustellen. Zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen eines Unternehmens zählen mithin alle Wirtschaftsgüter, die zur Erreichung des Unternehmenszwecks erforderlich sind und denen besonderes Gewicht für die Führung des Betriebes zukommt.
Rz. 58
Eine personelle Verflechtung besteht, wenn dieselbe Person bzw. dieselbe Personengruppe sowohl im Besitz- als auch im Betriebsunternehmen ihren geschäftlichen Betätigungswillen durchsetzen kann. Das ist regelmäßig der Fall, wenn an beiden Unternehmen dieselben Personen im gleichen Verhältnis beteiligt sind. Es kann aber auch ausreichen, wenn – abweichend von der zivilrechtlichen Beteiligungsquote – eine tatsächliche Beherrschung beider Unternehmen durch dieselben Personen möglich ist.
bb) Rechtsfolgen
Rz. 59
Liegt eine Betriebsaufspaltung vor, stellt sämtliches Vermögen des Besitzunternehmens zwingend Betriebsvermögen im einkommensteuerrechtlichen Sinne dar. Dies gilt auch (gerade) dann, wenn das Besitzunternehmen sich eigentlich auf die Vermietung bzw. Nutzungsüberlassung der in Rede stehenden wesentlichen Betriebsgrundlagen beschränkt und selbst keiner operativen Tätigkeit nachgeht. Das Betriebsvermögen des Besitzunternehmens umfasst dabei neben den dem Betriebsunternehmen überlassenen wesentlichen Betriebsgrundlagen auch die Anteile am Betriebsunternehmen.
cc) Wiesbadener Modell
Rz. 60
Mitunter wird das Entstehen einer Betriebsaufspaltung dadurch vermieden, dass wesentliche Betriebsgrundlagen nicht durch den Unternehmer (des Betriebsunternehmens) angeschafft werden, sondern durch dessen Ehegatten oder andere ihm nahestehende Personen, die sodann die entsprechenden Wirtschaftsgüter dem Betriebsunternehmen überlassen. Die Anwendung der sog. Personengruppentheorie und damit die Annahme einer Betriebsaufspaltung ist hier nicht gerechtfertigt. Denn auch unter Ehegatten können nicht zwingend gleichgerichtete wirtschaftliche Interessen unterstellt werden. Diese Gestaltung wird als "Wiesbadener Modell" bezeichnet und ist im Erbfall mitunter erheblichen Gefahren ausgesetzt.
Rz. 61
Mitunter können sich Ehegatten auch mit gegenläufigen Beteiligungsquoten sowohl am Besitz- als auch am Betriebsunternehmen beteiligen. Dies steht der Annahme einer Betriebsaufspaltung allerdings nach der Rechtsprechung nicht entgegen. Denn der BFH geht hier davon aus, dass bei derartigen gesellschaftsrechtlichen bzw. wirtschaftlichen Konstruktionen (gleichgültig ob unter Ehegatten oder fremden Dritten) grundsätzlich ein Gleichklang der wirtschaftlichen Interessen bestehe; hierfür spreche bereits die bewusste Wahl dieser "Doppelkonstruktion".
dd) Betriebsaufspaltung im Erbfall
Rz. 62
Der Erbfall und insbesondere die Erbteilung können den Bestand einer Betriebsaufspaltung – mitunter unbeabsichtigt – in erheblichem Maße gefährden. Kommt es nämlich durch den Erbfall selbst oder im Rahmen der anschließenden Erbauseinandersetzung zu einer Auflösung der personellen und/oder der sachlichen Verflechtung zwischen dem Besitzunternehmen und dem Betriebsunternehmen (Entflechtung), kann dies beim Besitzunternehmen eine steuerliche Betriebsaufgabe auslösen und somit die Versteuerung der (sämtlicher) stillen Reserven nach sich ziehen.
Rz. 63
Vor dem Hintergrund, dass zum Betriebsvermögen des Besitzunternehmens nicht nur die dem Betriebsunternehmen zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgüter zählen, sondern auch die Anteile am Betriebsunternehmen, kann dies erhebliche Steuerlasten auslösen.
Rz. 64
Die Konsequenzen für die Beteiligten sollen anhand des nachfolgenden Beispiels verdeutlicht werden:
Beispiel
Erblasser E ist Eigentümer eines Hausgrundstücks in bester Innenstadtlage von Düsseldorf. Der Buchwert (= historische Anschaffungskosten abzüglich AfA) beträgt 500.000 EUR. Da das Grundstück mit einem gut vermieteten Bü...