I. Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge
Rz. 2
Zivilrechtlich gilt im Erbfall der Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922 Abs. 1 BGB). Demzufolge geht das gesamte Vermögen des Erblassers einschließlich aller dazugehörenden Rechte und Pflichten automatisch auf den oder die Erben über.
Dieser Grundsatz setzt sich prinzipiell auch im Ertragsteuerrecht fort. Es gilt die so genannte Fußstapfentheorie: Sämtliche zum Nachlass gehörenden Vermögensgegenstände (Wirtschaftsgüter) sind beim Erben genauso anzusetzen wie zuvor beim Erblasser. Der Erbe erwirbt unentgeltlich, eine Aufdeckung stiller Reserven findet nicht statt. Das ergibt sich hinsichtlich des vererbten Betriebsvermögens aus § 6 Abs. 3 EStG, hinsichtlich des Privatvermögens aus § 11d EStDV.
Rz. 3
Soweit der Nachlass einer Erbengemeinschaft anfällt (§§ 1922 Abs. 1, 2032 Abs. 1 BGB) und die Miterben den Nachlass gemeinschaftlich verwalten und auch nur gemeinsam über einzelne Nachlassgegenstände verfügen können (§§ 2038 Abs. 1, 2040 Abs. 1 BGB), gelten dieselben Grundsätze. Die spätere Erbauseinandersetzung ist steuerlich (wie auch im Zivilrecht) ein vom Erbfall getrennter Vorgang und unterliegt demzufolge anderen Regeln (vgl. unten Rdn 6ff.).
Rz. 4
Zum Nachlassbestand gehören gemäß § 45 AO u.a. auch Steuererstattungsansprüche bzw. Nachzahlungsverpflichtungen des Erblassers. Diese können sowohl Veranlagungszeiträume vor dem Todesjahr als auch das Todesjahr selbst betreffen. Letzteres bildet in der Regel ein sog. Rumpfsteuerjahr, für das auch eine Einkommensteuererklärung (für den Erblasser) abzugeben ist, entweder durch die Erben oder ggf. durch einen Testamentsvollstrecker.
Rz. 5
Für etwaige Steuerschulden des Erblassers haften die Erben nach § 44 AO als Gesamtschuldner.
II. Erbfall und Erbauseinandersetzung
Rz. 6
Wie bereits angedeutet, bilden Erbfall und Erbauseinandersetzung keine rechtliche Einheit. Sie sind daher (auch unter steuerlichen Gesichtspunkten) als zwei voneinander getrennte Vorgänge zu behandeln und unabhängig voneinander steuerrechtlich zu beurteilen: Der Erbfall selbst hat im Grunde genommen lediglich eine Auswechselung des Steuersubjekts zur Folge Diese kann nur in (allerdings äußerst praxisrelevanten) Ausnahmefällen eine Gewinnrealisierung auslösen.
Rz. 7
Zu einer Gewinnrealisierung (automatisch mit dem Erbfall) kommt es z.B. dann, wenn der Gesellschaftsanteil eines Mitunternehmers aufgrund einer gesellschaftsvertraglichen qualifizierten Nachfolgeklausel (nur) auf einen von mehreren Miterben von Todes wegen übergeht, während sein Sonderbetriebsvermögen einer Erbengemeinschaft anfällt. In dieser Situation gilt nämlich das Sonderbetriebsvermögen, soweit es auf Nicht-Mitunternehmer entfällt, als mit dem Erbfall (noch durch den Erblasser) entnommen, so dass eine Besteuerung der hierdurch aufgedeckten stillen Reserven stattfindet (vgl. hierzu auch unten Rdn 41ff.).
III. Einkünfte des Nachlasses
1. Einkünfte aus Gegenständen des (steuerlichen) Privatvermögens
Rz. 8
Mit dem Erbfall eintretende Gewinnrealisierungen werden grundsätzlich noch dem Erblasser steuerlich zugerechnet. Insoweit handelt es sich also nicht um Einkünfte des Nachlasses bzw. der Erben.
Soweit der oder die Erben (nach dem Erbfall) durch Nutzung des Nachlassvermögens Einkünfte erzielen, sind diese natürlich zu versteuern. Insoweit gelten folgende Grundsätze:
Vermietungseinkünfte aus dem Privatvermögen zuzurechnenden Immobilien und Einkünfte aus Kapitalvermögen sind steuerlich dem Alleinerben bzw. den einzelnen Miterben anteilig zuzurechnen. Der bzw. die Erben verwirklichen den jeweiligen Tatbestand der Einkünfteerzielung (z.B. § 20 bzw. § 21 EStG). Die Einkünftezurechnung bei Miterben erfolgt entsprechend dem Verhältnis ihrer Erbteile zueinander, § 24 Nr. 2 EStG i.V.m. §§ 2038 Abs. 2, 743 Abs. 1 BGB.
2. Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit
Rz. 9
Prinzipiell ist es möglich, dass die Erben nach Eintritt des Erbfalls eine ererbte freiberufliche Praxis weiterführen. In diesem Fall erzielen die Erben (jeweils) Einkünfte nach § 18 EStG. Dies ist aber in der Praxis meist nur möglich, soweit der Erbe über die entsprechende berufliche Qualifikation verfügt.
Rz. 10
Dasselbe gilt grundsätzlich auch für eine Mehrheit von Erben (Erbengemeinschaft). Allerdings ist hier Fortführungsvoraussetzung, dass sämtliche Miterben die erforderliche Qualifikation besitzen müssen. Fehlt diese auch nur bei einem von ihnen, erzielt die Erbengemeinschaft insgesamt Einkünfte aus Gewerbebetrieb und ist mit diesen gemäß § 2 GewStG auch gewerbesteuerpflichtig.
Etwas anderes gilt aber (nach Auffassung der Finanzverwaltung), wenn die Erbengemeinschaft die freiberufliche Praxis innerhalb von maximal sechs Monaten auf einen qualifizierten Berufsträger überträgt. Inso...