aa) Gegenstand der Besteuerung
Rz. 99
Anders als beim Erben kommt es beim Vermächtnisnehmer gem. § 2174 BGB nicht zu einem automatisch dinglich wirkenden (Von-Selbst-)Erwerb. Dem Vermächtnisnehmer steht nämlich (lediglich) eine gegen den Beschwerten gerichtete Forderung auf Leistung des vermachten Gegenstandes zu.
Hinsichtlich der in Betracht kommenden Vermächtnisgegenstände ist grundsätzlich zwischen Vermächtnisgegenständen, die sich tatsächlich im Nachlass befinden, und solchen, die der Beschwerte zur Vermächtniserfüllung von einem Dritten erwerben, also dem Vermächtnisnehmer verschaffen muss (sog. Verschaffungsvermächtnis, § 2170 BGB), zu unterscheiden.
Rz. 100
Die herrschende Meinung sowie die Literatur gingen in der Vergangenheit stets davon aus, dass als Besteuerungsgegenstand grundsätzlich der Vermächtnisgegenstand (als solcher) anzusehen sei. Beim Kaufrechtsvermächtnis und beim Verschaffungsvermächtnis soll jedoch nach jüngerer Rechtsprechung anstelle des Werts des jeweiligen Anspruchsgegenstandes der Wert des jeweiligen Sachleistungsanspruchs der Besteuerung zugrunde zu legen sein. Welcher dogmatischen Einordnung die höchstrichterliche Rechtsprechung derzeit allgemein zuneigt, ist nicht vollständig klar. Vor dem Hintergrund des einheitlichen Verkehrswertansatzes nach den Regeln des Erbschaftsteuergesetzes 2016 dürfte die praktische Auswirkung der unterschiedlichen Behandlung verschiedener Vermächtnisarten allerdings nur noch von untergeordneter praktischer Bedeutung sein.
Rz. 101
Besteht das Vermächtnis in der Zuwendung einer Rentenzahlung oder eines Nießbrauchs- oder sonstigen Nutzungsrechts, hat der Vermächtnisnehmer nach § 23 ErbStG ein Wahlrecht, den Erwerb sofort in voller Höhe nach dem Kapitalwert zu versteuern oder sukzessive nach dem Jahreswert die Steuer zu entrichten.
bb) Vermächtnis vs. Teilungsanordnung
Rz. 102
Zivilrechtlich kommen ausschließlich zwei Arten von Vermögenszuwendungen in Betracht, nämlich die Erbeinsetzung und die Vermächtnisanordnung. Ist ein Erbe mit einem Vermächtnis bedacht und soll dessen Wert nicht auf seinen Erbteil anzurechnen sein, liegt ein Vorausvermächtnis i.S.v. § 2150 BGB vor. Der Vorausvermächtnisnehmer ist dann in zweierlei Hinsicht begünstigt, einmal als Erbe und zusätzlich als Vermächtnisnehmer. Geht es dem Erblasser nur darum, einzelnen Miterben bestimmte Vermögensgegenstände gegenständlich zuzuweisen (ohne hiermit eine wertmäßige Begünstigung anzuordnen), kann er dies durch eine Teilungsanordnung erreichen.
Rz. 103
Im Einzelfall kann mitunter zweifelhaft sein, ob der Erblasser mit der in seiner letztwilligen Verfügung angeordneten gegenständlichen Zuweisung ein Vorausvermächtnis oder eine Teilungsanordnung verfügen wollte.
Die Unterscheidung der beiden Instrumente ist aber sowohl zivilrechtlich als auch unter erbschaftsteuerrechtlichen Gesichtspunkten von erheblicher Bedeutung, da Teilungsanordnung und Vermächtnis (insbesondere Vorausvermächtnis) zu völlig unterschiedlichen Konsequenzen führen:
Rz. 104
Der Erwerb durch Vermächtnis gilt nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG als eigenständiger Erwerb von Todes wegen.
Demgegenüber wird die Teilungsanordnung in § 3 ErbStG an keiner Stelle genannt, erbschaftsteuerlich ist sie daher grds. unbeachtlich. Denn der Erwerb des durch eine Teilungsanordnung Begünstigten ist zivilrechtlich (nur) ein Erwerb durch Erbanfall. Die Teilungsanordnung bewirkt nur eine gegenständliche Zuweisung bereits durch Erbanfall (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) erworbenen Vermögens.
Rz. 105
Vor diesem Hintergrund hat ein etwa mit einer Teilungsanordnung beschwerter Erbe auch keine Möglichkeit, die aus der Teilungsanordnung resultierende Verpflichtung als Nachlassverbindlichkeit geltend zu machen.
Rz. 106
Die steuerliche Irrelevanz der Teilungsanordnung gilt seit dem ErbStG 2009 allerdings nicht mehr völlig uneingeschränkt. Denn für Konstellationen, in denen steuerliche Privilegierungen, insbesondere für Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftliches Vermögen und Kapitalgesellschaftsanteile (§ 13a ErbStG a.F.), aufgrund einer Teilungsanordnung von der Erbengemeinschaft an einen Miterben weitergegeben werden (müssen), regeln §§ 13a Abs. 3, 13b Abs. 3 und 19a Abs. 2 ErbStG, dass die Verschonungen ausschließlich durch den tatsächlichen Unternehmensnachfolger in Anspruch genommen werden können.
Dessen ungeachtet hat aber die Finanzverwaltung klargestellt, dass im Übrigen die Unbeachtlichkeit der Erbauseinandersetzung und somit auch von Teilungsanordnungen nicht in Frage gestellt ist. Die Durchbrechung dieses Grundsatzes betrifft lediglich die Gewährung von Verschonungen für Produktivvermögen sowie die Steuerbefreiung im Falle der Vererbung eines Familienheims an Kinder (§ 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG).
Rz. 107
Demzufolge haben auch bei Vorliegen einer Teilungsordnung alle...