1. Allgemeines
Rz. 325
Für das sog. Produktivvermögen sehen §§ 13a ff. ErbStG sehr umfassende Privilegierungen vor, durch die die (angestrebte) realitätsgerechte Bewertung teilweise wieder aufgehoben wird.
Rz. 326
Rechtfertigung für die in §§ 13a ff. sowie 19a ErbStG vorgesehenen Begünstigungen ist, dass das Produktivvermögen (nicht allgemein das ertragsteuerliche Betriebsvermögen) in besonderer Weise dem Gemeinwohl diene. Insbesondere geht es um die Sicherung der durch den Vermögens- bzw. Betriebsübergang (mittelbar) betroffenen Arbeitsplätze. Als Voraussetzungen für die steuerliche Privilegierung sieht der Gesetzgeber die nachhaltige Sicherung der Unternehmensnachfolge (Behaltensregelung) sowie die Erhaltung der Arbeitsplätze (Lohnsummenkriterium) an.
Rz. 327
Um den Anwendungsbereich der Verschonungsnormen (nach dem ErbStG 2016) zu eröffnen, genügt es nicht, das Unternehmen in einer bestimmten Rechtsform zu betreiben. Auch die ertragsteuerliche Einordnung allein reicht nicht aus. Vielmehr darf das Unternehmensvermögen nicht überwiegend bzw. zu mehr als 90 % seines Werts (§ 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG) aus sog. Verwaltungsvermögen bestehen. Die Regelverschonung beträgt 85 % des Werts des Unternehmens. Nur wenn der Anteil des Verwaltungsvermögens den Wert des begünstigungsfähigen Vermögens (Unternehmens) 20 % nicht übersteigt, kommt eine vollständige (100 %) Verschonung in Betracht.
Rz. 328
Im Übrigen haben sich diverse Details der Verschonungssystematik und der Ausgestaltung der entsprechenden gesetzlichen Normen seit der Einführung des noch heute geltenden Verschonungskonzepts mit dem ErbStG 2009 deutlich verändert und an Komplexität gewonnen. So ist beispielsweise Verwaltungsvermögen – abgesehen vom unschädlichen Verwaltungsvermögen nach § 13b Abs. 7 ErbStG – nach dem seit 1.7.2016 geltenden ErbStG prinzipiell gar nicht (mehr) begünstigt. Soweit der Unternehmens- bzw. Anteilswert hierauf entfällt, bleibt er von allen Verschonungen ausgenommen.
Rz. 329
Außerdem wurde mit dem ErbStG 2016 in § 13a Abs. 1 ErbStG ein Größenkriterium eingeführt, dem zufolge begünstigte Erwerbe nur dann in den uneingeschränkten Anwendungsbereich der Verschonungsregelungen fallen, wenn sie einen Wert von 26 Mio. EUR nicht überschreiten.
Rz. 330
Für den Regelfall (Erwerb nicht über 26 Mio. EUR) gilt folgendes Schema:
|
Unternehmerisches Vermögen |
|
Regelverschonung bis zu 90 % |
Anteil des Verwaltungsvermögens |
Optionsverschonung bis zu 20 % |
400 % in 5 Jahren |
Lohnsumme |
700 % in 7 Jahren |
85 % |
Verschonungsabschlag |
100 % |
2. Systematik der Verschonungsnormen
Rz. 331
Voraussetzungen für die steuerlichen Entlastungen sind zum einen die dauerhafte Fortführung des Unternehmens sowie zum anderen der Erhalt von Arbeitsplätzen. Letzterer wird in der Aufrechterhaltung eines bestimmten Lohnsummenniveaus ausgedrückt.
Gesetzessystematisch handelt es sich um sachliche Steuerbefreiungen, durch die es zu einer Reduzierung der steuerlichen Bemessungsgrundlage auf 15 % bzw. 0 % des ursprünglichen Werts kommt. Dies hat gleichzeitig positive Auswirkungen auf die Steuerprogression bezüglich des übrigen, nicht privilegierten Vermögens, da der auf diese Vermögensteile anzuwendende Steuersatz (weitgehend) ohne Berücksichtigung des begünstigten Produktivvermögens ermittelt wird.
Rz. 332
Zusätzlich zum Verschonungsabschlag nach § 13a Abs. 1 ErbStG und dem Abzugsbetrag nach § 13a Abs. 2 ErbStG können Angehörige der Steuerklassen II und III hinsichtlich des verbleibenden Werts des Produktivvermögens das Steuersatz-Privileg des § 19a ErbStG in Anspruch nehmen. Sie werden dann insoweit so besteuert, als ob sie der Steuerklasse I angehörten.
Rz. 333
Der Erwerber muss das Unternehmen nach dem Übergang für wenigstens fünf (bzw. sieben) Jahre fortführen und hat während dieser Zeit noch weitere Restriktionen zu beachten sowie die sog. Mindestlohnsumme einzuhalten. Im Falle eines Verstoßes gegen diese nachlaufenden Verpflichtungen sieht das Gesetz einen (anteiligen) Entfall der verschiedenen Begünstigungen vor, wobei dessen Umfang zeit- bzw. wertanteilig zu ermitteln ist. Durch den (teilweisen) Wegfall der Verschonungen ergibt sich eine erhöhte steuerliche Bemessungsgrundlage, auf die sodann der – ggf. höhere – neu bestimmte Steuersatz anzuwenden ist. Bei den Angehörigen der Steuerklassen II und III entfällt ggf. auch (anteilig) das Steuersatzprivileg des § 19a ErbStG.
3. Weitergabeverpflichtung
Rz. 334
Gemäß § 13a Abs. 5 ErbStG sollen die Begünstigungen für Produktivvermögen ausschließlich dem Letzterwerber zugutekommen. Vorausse...