a) Urkundsdelikte, §§ 267 ff. StGB
Rz. 6
Übersicht
Tathandlungen:
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Herstellen oder Gebrauchen einer unechten Urkunde |
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Verfälschen einer echten Urkunde und/oder gebrauchen derselben Urkunde: |
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jede verkörperte menschliche Gedankenerklärung mit Beweisbestimmung und Eignung, die ihren Aussteller erkennen lässt |
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Unechtheit liegt vor, wenn sie nicht von demjenigen herrührt, der aus ihr als Aussteller hervorgeht. |
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Aussteller ist derjenige, der geistig hinter der Erklärung steht (sog. Erklärungsgarant). |
Mittelbare Falschbeurkundung, § 271 StGB
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Jedermanndelikt (im Gegensatz zu § 348 StGB – Falschbeurkundung als Amtsträgerdelikt) |
Tathandlung:
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Bewirken der Beurkundung mit der Folge, dass öffentliche Urkunde entsteht, die inhaltlich unrichtig ist |
Tatobjekt:
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Öffentliche Urkunde: Jede Urkunde i.S.d. § 415 ZPO, in der eine "schriftliche Lüge" beurkundet ist, auf deren Richtigkeit sich die erhöhte Beweiskraft der öffentlichen Urkunde erstrecken muss |
Urkundenunterdrückung, § 274 StGB
Tathandlungen:
Vernichtung/Beschädigung/Unterdrückung einer echten Urkunde, die dem Täter nicht oder nicht ausschließlich gehört (Beweisführungsberechtigung)
Subjektiv: Vorsatz sowie Nachteilszufügungsabsicht als Folge des Vorenthaltens der Urkunde.
Rz. 7
Urkundsdelikte spielen in erbrechtlichen Sachverhaltsgestaltungen schon deshalb eine besondere Rolle, weil aufgrund des Erbfalles regelmäßig Urkunden das zentrale prozessuale Beweismittel darstellen. Der Urkundenfälschung und -unterdrückung ist deshalb breiterer Raum zu geben, weil diese eine erhebliche Rolle in der Beratung von Erbengemeinschaften spielen. Dies gilt zum Beispiel bei Fällen, in denen die in einem privatschriftlichen Testament vorgesehene Erbengemeinschaft dadurch unterminiert wird, dass der vor Ort wohnende gesetzliche Erbe Zugriff auf das Testament hat und das errichtete Testament beiseiteschafft oder sogar vernichtet. Die Auswirkungen derartigen Verhaltens – bis hin zu der Frage, ob die spätere Erteilung eines Erbscheins sogar mittelbare Falschbeurkundung durch den Urkundenunterdrücker ist – sind darzustellen.
Die genannten Delikte verfolgen unterschiedliche Schutzrichtungen:
Schutzgut der Urkundenfälschung gem. § 267 StGB ist die Echtheit und Unverfälschtheit einer verkörperten menschlichen Gedankenerklärung mit Garantiefunktion (Urkunde) und nicht die inhaltliche Richtigkeit der Urkunde. Letztere wird nur bei öffentlichen Urkunden i.S.d. § 271 StGB (mittelbare Falschbeurkundung) geschützt. Schutzrichtung der Urkundenunterdrückung ist die Möglichkeit der Beweisführung mit Urkunden (§ 274 StGB). Mit der vorausgesetzten Nachteilszufügungsabsicht steht diese Norm im mittelbaren Zusammenhang zu den Vermögensdelikten.
aa) Urkundenfälschung
Rz. 8
§ 267 StGB unterscheidet zwischen drei Modalitäten der Urkundenfälschung. Dem Herstellen einer unechten Urkunde (Vollfälschung) werden das Verfälschen einer echten Urkunde und das Gebrauchen einer unechten oder verfälschten Urkunde gleichgestellt. Im erbrechtlichen Zusammenhang wird regelmäßig die Urkundseigenschaft des Testaments nicht in Frage stehen. Zu problematisieren sind hinsichtlich der Urkundsqualität im vorliegenden Zusammenhang nur zwei Fallkonstellationen:
Beispiel 1
Der Erblasser hat seinen letzten Willen auf mehreren losen Blättern handschriftlich niedergelegt, die Unterschrift befindet sich allerdings nicht hierauf, sondern auf dem die Blätter enthaltenden Umschlag.
Anders als im Zivilrecht ist die (strafrechtliche) Urkundseigenschaft einer solchen Erklärung im Beispiel 1 zu bejahen. Das Strafrecht verlangt lediglich die hinreichende Verkörperung einer menschlichen Gedankenerklärung, die ihren Aussteller, d.h. den Erklärenden, erkennen lässt.
Unter diesen weiten strafrechtlichen Urkundsbegriff fallen mithin auch die losen Blätter einer Urkunde, die in dem die Unterschrift tragenden Umschlag verwahrt werden; sie reichen als verkörperte, d.h. mit einer Sache fest verbundene, und auch verständliche Gedankenerklärung durch den Aussteller aus. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn es an der Beweisbestimmung oder Beweiseignung fehlen würde.
Rz. 9
Beispiel 2
Der Erblasser hat im Beispiel 1 zum Ausdruck gebracht, dass die im Briefumschlag enthaltene Verfügung deshalb noch nicht unterschrieben ist, weil es sich um einen Entwurf handelt.
Bloße Entwürfe einer Urkunde unterfallen auch nicht dem weiten strafrechtlichen Urkundsbegriff. Da Urkunden bestimmt und geeignet sein müssen, Beweis zu erbringen und es sich bei letztwilligen Verfügungen von Todes wegen um sogenannte originäre Urkunden oder Absichtsurkunden handelt, ist entscheidend, ob der Verfügende will, dass seine Erklärung Beweis erbringen kann. Der bloße Entwurf einer solchen Urkunde unterfällt § 267 StGB nicht. In diesen Fällen hat nämlich der Aussteller eine Erklärung gerade noch nicht abgegeben. Der Erklärende hat im Rahmen eines Entwurfs nach dem objektiven Empfängerhorizont nicht den Willen, sich rechtserheblich zu äußern. Mangels Rechtsbindungswillen fehlt es also an einer Erklärung...