a) Sittenwidrigkeit und Unwirksamkeit
Rz. 116
Zunächst kann hinsichtlich der Schwachstellen und Bedenken im Wesentlichen auch auf die hierzu gemachten Ausführungen beim Behindertentestament, insbesondere zur Sittenwidrigkeit (s. Rdn 42) und zu den Problematiken aus § 2306 BGB (s. Rdn 44 ff.), verwiesen werden.
Rz. 117
In einer Entscheidung aus dem Jahr 2015 hatte das BSG angenommen, dass die Konstruktion eines Bedürftigentestaments nach dem Vor- und Nacherbenmodell in Kombination mit einer Dauertestamentsvollstreckung nicht sittenwidrig sei. Das Urteil gibt leider dennoch keinen Freibrief, da die Urteilsbegründung in Teilen schwammig bleibt und Deutungsreste zulässt. Es dürfte daher weiter abzuwarten sein, inwieweit die weitere Rechtsprechung auch bei einer derartigen Gestaltung zugunsten eines Langzeitarbeitslosen mit gleicher Begründung das Vorliegen einer Sittenwidrigkeit verneint, steht doch bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 1 SGB II der Grundsatz des "Förderns und Forderns" im Vordergrund. Auch wenn dadurch sicherlich nicht die nach Art. 14 GG geschützte Testierfreiheit in ihrer Bedeutung tangiert wird, kann sich in diesen Fällen doch zumindest ergebnisorientiert eine andere Sichtweise der Gerichte ergeben. Auch wenn vermehrt Stimmen in der Literatur in der Entscheidung des BGH vom 19.1.2011 und der des BSG bereits eine eindeutige Richtung hinsichtlich der Verneinung der Sittenwidrigkeit erkennen, mag dies bis zum Vorliegen weiterer einschlägiger Entscheidungen noch als jedenfalls nicht in letzter Konsequenz sicher anzusehen sein. Insbesondere darf nicht übersehen werden, dass auch selbst dann, wenn sicherlich nicht die nach Art. 14 GG geschützte Testierfreiheit in ihrer Bedeutung tangiert wird, sich in diesen Fällen doch zumindest ergebnisorientiert eine andere Sichtweise der Gerichte ergeben kann. Gleiches dürfte im Übrigen zu bedenken sein, wenn eine Gestaltung so weit geht, als sie die Wirkungen der Beschränkungen auf die Dauer eines Bezugs der Leistungen aus der Grundsicherung beschränkt, also mit Ende der Langzeitarbeitslosigkeit diese wegfallen (z.B. auflösende Vorerbenstellung mit Ende der Testamentsvollstreckung) oder mit Eintritt der Langzeitarbeitslosigkeit (z.B. durch bedingtes Herausgabevermächtnis) erst eintreten lassen.
Rz. 118
Letztlich bleibt abzuwarten, ob derartige Gestaltungen, welche den sozialhilferechtlichen Nachranggrundsatz in sein Gegenteil verkehren, von den sozialrechtlichen Leistungsträgern anerkannt oder aber nicht als sittenwidrig (§ 138 BGB) verworfen werden und damit die Gewährung von Leistungen auf "Alg II" (bzw. künftig: Bürgergeld) und "Sozialgeld" verweigert wird. Zumindest gibt es auch Anhaltspunkte dafür, dass zumindest seitens der Sozialgerichtsbarkeit durchaus auch Bedenken gegen solche Gestaltungsformen bestehen.
Rz. 119
Sollten darüber hinaus bei dem langzeitarbeitslosen Abkömmling die Voraussetzungen nach § 2338 BGB vorliegen, sollte daher sicherlich auch weiter die Möglichkeit der "Pflichtteilsbeschränkung in guter Absicht" in die Gestaltungsüberlegungen miteinbezogen werden.
b) Verhalten des "Langzeitarbeitslosen"
Rz. 120
Während in den Fällen des Behindertentestaments für den Behinderten ein gesetzlicher Vertreter, i.d.R. ein Betreuer, über die Frage der Ausschlagung der Erbschaft unter den Voraussetzungen des § 2306 Abs. 1 BGB entscheidet, liegt die Entscheidungsbefugnis vorliegend beim Langzeitarbeitslosen. Dieser kann auch letztlich für sich wirtschaftlich nachteilige Entscheidungen treffen, ohne dass hiergegen seitens der Miterben bzw. der Familie irgendwelche Möglichkeiten bestehen. So ist nicht auszuschließen, dass der Langzeitarbeitslose die Dauer seiner zukünftigen Arbeitslosigkeit vollkommen anders als der Erblasser bewertet.
Rz. 121
Gerade bei sich ergebenden nicht unerheblichen und kurzfristig realisierbaren Pflichtteilsansprüchen stehen möglicherweise auch eigene aktuelle Wünsche, wie Urlaubsreisen, Luxusgüter etc., im Vordergrund, nicht jedoch eine länger dauernde Versorgung, geschweige denn ein Schutz des Familienvermögens zugunsten anderer – ohnehin ggf. bereits abgesicherter – Familienangehöriger.
Rz. 122
Nicht übersehen werden darf ferner, dass sich aus dem Verhältnis zwischen Langz...