Rz. 70
Soweit aufgrund der mit der Vor- und Nacherbenlösung strukturell verbundenen Schwierigkeiten die Anordnung einer Vor- und Nacherbeneinsetzung vermieden werden soll, bietet sich in gewissen Fällen die Anordnung von Vermächtnissen an, ohne dass die Anordnung eines Nachvermächtnisses im Hinblick auf den Erhalt eines vom Erblasser stammenden Vermögens oder Vermögensgegenstands erforderlich ist.
Rz. 71
Auch bei dieser Gestaltung gilt zunächst selbstverständlich, dass das Vermächtnis nach § 2307 BGB auf den Pflichtteil des Behinderten angerechnet wird. Bei der Zuwendung von auf Lebenszeit beschränkten Versorgungsrechten und Renten ist jedoch zu beachten, dass bei der Bewertung des Werts derartiger Rechte eine Kapitalisierung durchzuführen ist, um den Anrechnungsbetrag nach § 2307 BGB zu ermitteln.
Rz. 72
Ebenfalls identisch mit den vorbeschriebenen Gestaltungsvarianten ist die Anordnung der Testamentsvollstreckung als Dauervollstreckung nach § 2209 BGB.
Rz. 73
Als Vermächtniszuwendungen kommen bei dieser Variante aber nur diejenigen Leistungen in Betracht, die nicht dem Zugriff des Sozialleistungsträgers unterliegen, nicht als einzusetzendes Einkommen oder Vermögen i.S.d. SGB XII anzusehen sind und auch zu keinen Einschränkungen der Sozialhilfeleistungen aus einem anderen Grund, etwa wegen der anderweitigen Bedarfsdeckung, führen.
Rz. 74
Die Zuwendung eines Altenteilrechts, zu dem regelmäßig die Übernahme von Wart- und Pflegeleistungen, die haushaltsübliche Verköstigung sowie die Einräumung eines Wohnrechts gehören, wird dabei regelmäßig zumindest zu einer anteiligen Anrechnung auf das Einkommen nach §§ 85 ff. SGB XII führen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass bei Unterbringung des Behinderten in einem Heim dann aufgrund landesrechtlicher Bestimmungen (Art. 96 EGBGB z.B. i.V.m. Art. 18 ff. BayAGBGB) regelmäßig eine Geldersatzleistung entsteht. Gleiches gilt nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage beim gewöhnlichen Versorgungsvertrag. Die empfohlene Anordnung der Ortsgebundenheit der Versorgungsleistungen zur Vermeidung einer Ersatzrente erscheint vor dem Hintergrund einer Entscheidung des BGH von Anfang 2003 vorläufig gesichert, da in einem derartigen Versorgungsvertrag als Vereinbarung zwischen Übergeber und Übernehmer nicht grundsätzlich eine Vereinbarung zu Lasten des Sozialhilfeträgers angenommen wird.
Rz. 75
Bei der Ausgestaltung der Zuwendung eines Wohnrechts ist darauf zu achten, dass dieses nicht zur Nutzung an Dritte überlassen werden darf, da anderenfalls das Wohnrecht zweifelsfrei der Überleitung durch den Sozialhilfeträger nach § 93 SGB XII ausgesetzt ist. Hinzuweisen ist hierbei allerdings darauf, dass nicht von einer gesicherten Rechtslage bzgl. der Verneinung der Überleitungsfähigkeit eines Wohnrechts ausgegangen werden kann. Die praktische Umsetzung der Sozialleistungsträger ist hier teilweise anders. Es droht daher nach entsprechender Umwandlung in eine Geldersatzleistung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage dann doch eine Überleitung. Auch gibt es obergerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Überleitung von erzielbaren Erträgen aus Vermietung bei Existenzgefährdung des Berechtigten. Die Anordnung des Ruhens des Rechts, während der Behinderte das Wohnungsrecht nicht ausübt, erscheint daher sicherlich sinnvoll. Gleiches gilt für die Anordnung des ersatzlosen Wegfalls, wenn der Behinderte nicht nur vorübergehend auszieht.
Rz. 76
Unproblematisch ist dagegen im Wesentlichen die Zuwendung von Vermögenswerten, die Schonvermögen i.S.v. § 90 Abs. 2 SGB XII darstellen. Zu denken wäre also hierbei insbesondere an das angemessene Hausgrundstück i.S.d. § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII, das allerdings bei der vermächtnisweisen Zuwendung ohne Anordnung eines Nachvermächtnisses dann jedenfalls in den Eigennachlass des Behinderten fällt und daher dem Zugriff nach § 102 SGB XII ausgesetzt wäre, soweit nicht ein Haftungsausschluss nach § 102 Abs. 3 SGB XII vorliegt, weil z.B. ein angemessenes selbstgenutztes Einfamilienhaus auch beim Erben Schonvermögen i.S.d. § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII ist.
Rz. 77
Auch die vermächtnisweise Zuwendung einer Leibrente dürfte in diesen Fällen denkbar sein, da mit der Anordnung der Testamentsvollstreckung mit Verwaltungsanordnung nach § 2216 Abs. 2 BGB anlog den obigen Gestaltungsvarianten zur Vor- und Nacherbenlösung und Vor-/Nachvermächtnislösung einsetzbares bzw. zu Lebzeiten des Behinderten verwertbares Einkommen (§§ 82 ff. SGB XII) und Vermögen (§ 90 SGB XII) nicht vorliegt.