Rz. 42

Stellt es eine sittenwidrige und daher nach § 138 BGB nichtige Gestaltung zu Lasten der Sozialhilfe und der öffentlichen Hand dar, weil dadurch insbesondere das sozialhilferechtliche Nachrangprinzip in sein Gegenteil verkehrt wird? Der BGH hat dies in zwei Entscheidungen verneint.[56] Auch zeigt die Rechtsprechung der Landessozialgerichte in den vergangenen Jahren die Akzeptanz des Behindertentestaments aus sozialrechtlicher Sicht.[57] Allerdings klingen in der ersten wie auch in der zweiten Entscheidung Überlegungen an, dass u.U. bei sehr großen Nachlässen, aus denen der Behinderte seinen Lebensunterhalt bestreiten könnte, die Sache anders zu sehen sein mag, insbesondere wenn allein aus dem Pflichtteil die Sicherstellung der Versorgung des Behinderten möglich wäre und daher eine günstigere Rechtsstellung des Behinderten, als sie durch das Pflichtteilsrecht gewährleistet wird, nicht vorliegt.

 

Rz. 43

Wendt hat hierzu[58] ausgeführt, dass § 138 BGB indes nicht schon eingreift,

Zitat

"wenn – gleichsam buchhalterisch festzustellen – der Gesamtkostenaufwand aus Heimunterbringung plus Zusatzvorteilen den Nachlasswert erreicht. Erst bei einem deutlichen Missverhältnis zwischen den von der Familie durch die Behinderung über möglicherweise eine lange Zeit insgesamt zu schulternden Lasten und dem abzuschirmenden Familienvermögen wird die von § 138 BGB abstrakt gezogene Grenze erkennbar. (…) Der Grundsatzentscheidung von 1993 lässt sich aber zumindest entnehmen, dass diese Grenze nicht schon dann erreicht ist, wenn die Versorgung der behinderten Person allein mit dem Pflichtteil auf Lebenszeit gerade mal sichergestellt wäre. Die Schwelle dürfte unter der Regie des § 138 BGB erheblich darüber liegen."[59]

[56] BGH, Urt. v. 21.3.1990 – IV ZR 169/89, BGHZ 111, 36 = NJW 1990, 2055; BGHZ 123, 368 = NJW 1994, 248. Für eine unzulässige Umgehung des Nachranggrundsatzes hält dies aber Staudinger/Sack (1996), § 138 Rn 365; krit. auch Mayer-Maly, AcP 1994 (1994), 105, 146; MüKo-BGB/Armbrüster, § 138 Rn 67; auch LG Flensburg, Urt. v. 1.9.1992 – 2 O 265/92, NJW 1993, 1866 bei einer Erbeinsetzung eines Dritten anstelle des behinderten Kindes mit dem Ziel, das Erbe dem Zugriff des Sozialhilfeträgers zu entziehen.
[57] LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 9.10.2007 – L 7 AS 3528/07, ZEV 2008, 147; LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 23.1.2012 – L 20 SO 565/11 B; vgl. hierzu auch Tersteegen, Behindertentestament – aktuelle Entwicklungen aus sozialrechtlicher Sicht, ZErb 2013, 141.
[58] Wendt, ZErb 2012, 290.
[59] Wendt, ZErb 2012, 290, 294.

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