I. Gesetzliche Ausgangslage
Rz. 109
Seit 1.1.2005 erhält nach § 7 SGB II Grundsicherung für Arbeitsuchende (Erwerbsfähige im Alter zwischen 15 Jahren und – abhängig vom Geburtsjahr – mindestens 65 Jahren mit gewöhnlichem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland), wer hilfebedürftig ist. Leistungen in Form des sog. Sozialgeldes erhalten dabei auch Personen, die mit einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben.
Rz. 110
Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen und Vermögen, sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Das zu berücksichtigende Vermögen ergibt sich dabei aus § 12 SGB II, das zu berücksichtigende Einkommen aus § 11 SGB II.
Rz. 111
Dabei entspricht § 12 Abs. 1 SGB II inhaltlich der Parallelbestimmung des § 90 Abs. 1 SGB XII. Als Vermögen ist hier alles verwertbare Vermögen zu berücksichtigen. Die Verwertbarkeit kann dabei sowohl aus wirtschaftlichen wie auch aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen sein. Dabei liegt ein Fall der rechtlichen Unverwertbarkeit dann vor, wenn der Hilfesuchende einer zumindest nicht nur vorübergehenden Verfügungsbeschränkung unterliegt. Im Bereich des früheren Sozialhilferechts hat dabei der VGH Mannheim eine solche zu berücksichtigende Verfügungsbeschränkung bejaht, wenn der Erbe über den Nachlass aufgrund einer angeordneten Dauertestamentsvollstreckung nicht verfügen konnte.
Rz. 112
Nach § 33 Abs. 1 SGB II gehen dabei nicht nur Unterhaltsansprüche, sondern jegliche Ansprüche gegen Dritte für die Zeit, für welche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II erbracht werden, automatisch auf den Leistungsträger über. Sie bedürfen daher – anders als bei Leistungen nach dem SGB XII – nicht der Überleitung, da im SGB XII nur bezüglich Unterhaltsansprüche ein automatischer Übergang vorgesehen ist § 94 SGB XII.
II. Gestaltungsüberlegung
1. Rechtliche Gestaltung
Rz. 113
Vor dem Hintergrund dieser sich seit dem 1.1.2005 aufzeigenden Parallelen zwischen Grundsicherung für Arbeitsuchende nach SGB II und Sozialhilfe nach SGB XII drängt sich eine Übertragung der Gestaltung des Behindertentestaments auch auf Fälle der Absicherung von Langzeitarbeitslosen auf.
Rz. 114
Es werden sich dabei auch in den Fällen, bei denen es zur Inanspruchnahme der Grundsicherung für Arbeitsuchende kommt, in gleicher Weise wie beim klassischen Behindertentestament – und bei der Erbeinsetzung eines Überschuldeten durch Anordnung einer Verwaltungsvollstreckung (§ 2209 BGB) auf Lebenszeit des Betroffenen zusammen mit einer sorgfältigen Verwaltungsanordnung nach § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB zu Lebzeiten des Langzeitarbeitslosen – die sich ergebenden Probleme abfangen lassen.
Denn dann besitzt der Leistungsberechtigte weder eigenes verwertbares Vermögen, auf dessen Einsatz er vorrangig verwiesen werden kann, noch kann dies durch Überleitung von Ansprüchen nach § 33 Abs. 1 SGB XII vom Leistungsträger realisiert werden.
Rz. 115
Beim Bedürftigentestament besteht, wie beim Behindertentestament bereits entwickelt, die Möglichkeit, folgende Anordnungen zu treffen:
▪ |
eine Vor- und Nacherbschaft oder alternativ hierzu |
▪ |
ein Vor- und Nachvermächtnis, |
wobei nach den obigen Ausführungen zum Behindertentestament der Vor- und Nacherbschaft (s. Rdn 11 ff.) eindeutig als der bewährteren Gestaltung der Vorzug gegeben werden sollte. Einfacher ist sicherlich die Umsetzung der Anordnungen zur Testamentsvollstreckung, da eine Betreuung für den Bedürftigen regelmäßig nicht erforderlich sein wird. Zu Interessenkollisionen zwischen Betreuer und Testamentsvollstrecker kann es also nicht kommen. Gleichzeitig als persönlich schwierig kann sich gleichwohl erweisen, dass der Bedürftige dann selbst den Testamentsvollstrecker kontrolliert.
2. Schwachstellen und Bedenken
a) Sittenwidrigkeit und Unwirksamkeit
Rz. 116
Zunächst kann hinsichtlich der Schwachstellen und Bedenken im Wesentlichen auch auf die hierzu gemachten Ausführungen beim Behindertentestament, insbesondere zur Sittenwidrigkeit (s. Rdn 42) und zu den Problematiken aus § 2306 BGB (s. Rdn 44 ff.), verwiesen werden.
Rz. 117
In einer Entscheidung aus dem Jahr 2015 hatte das BSG angenommen, dass die Konstruktion eines Bedürftigentestaments nach dem Vor- und Nacherbenmodell in Kombination mit einer Dauertestamentsvollstreckung nicht sittenwidrig sei. Das Urteil gibt leider dennoch keinen Freibrief, da die Urteilsbegründung in Teilen schwammig bleibt und Deutungsreste zulässt. Es dürfte daher weiter abzuwarten sein, inwieweit die weitere Rechtsprechung auch bei einer derartigen Gestaltung zugunsten eines Langzeitarbeitslosen mit gleicher B...