Dr. Peter Niggemann, Dr. Martin Buntscheck
Rz. 118
Die EU-Fusionskontrolle findet nur auf "Zusammenschlüsse" i.S.v. Art. 3 FKVO Anwendung.
Art. 3 Abs. 1 FKVO unterscheidet zwei Zusammenschlusstatbestände:
▪ |
Fusion und |
▪ |
Kontrollerwerb. |
Wichtige Hinweise für die Auslegung des Zusammenschlussbegriffs durch die Kommission finden sich in ihrer Konsolidierten Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen aus dem Jahr 2009.
a) Fusion
Rz. 119
Der Begriff der "Fusion" umfasst jeden Vorgang, bei dem aus mehreren selbstständigen Unternehmen eine neue wirtschaftliche Einheit, d.h. ein neues Unternehmen, entsteht. Als Beispiele für eine "Fusion" nennt die Kommission die Verschmelzung, aber auch die Gründung eines Gleichordnungskonzerns.
Konzerninterne Umstrukturierungen werden nicht erfasst. Art. 3 Abs. 1 FKVO verlangt eine Fusion "bisher voneinander unabhängiger Unternehmen".
Hinweis
Der Zusammenschlusstatbestand der "Fusion" spielt in der Praxis nur eine untergeordnete Rolle.
b) Kontrollerwerb
Rz. 120
"Kontrolle" wird in Art. 3 Abs. 2 FKVO definiert als die "Möglichkeit, einen bestimmenden Einfluss auf die Tätigkeit eines Unternehmens auszuüben". Auch der Kontrollerwerb durch eine natürliche Person, die selbst nicht unternehmerisch tätig ist, kann unter Art. 3 Abs. 1 Buchst. b) FKVO fallen, sofern diese Person mindestens ein (anderes) Unternehmen kontrolliert.
Es ist nicht erforderlich, dass der bestimmende Einfluss tatsächlich ausgeübt wird. Die Möglichkeit dazu reicht aus, um Kontrolle i.S.v. Art. 3 Abs. 2 FKVO zu begründen.
Ebenfalls nicht erforderlich ist, dass die Kontrolle gesellschaftsrechtlich vermittelt ist. Sie kann gem. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b) FKVO durch den Erwerb von Anteilsrechten oder Vermögenswerten, aber auch durch Vertrag oder "in sonstiger Weise" vermittelt werden. So kann Kontrolle z.B. auf vertraglicher Grundlage erworben werden, sofern der Vertrag eine ähnliche Kontrolle über Unternehmensleitung und Ressourcen des anderen Unternehmens bewirkt wie der Erwerb von Anteilsrechten oder Vermögenswerten (z.B. Abschluss von Beherrschungsverträgen, Betriebspachtverträgen etc.).
Rz. 121
Der Begriff der "Kontrolle" setzt allerdings eine gewisse Dauerhaftigkeit voraus. Daran kann es z.B. fehlen, wenn die Einflussmöglichkeiten nicht gesellschaftsrechtlich vermittelt werden, sondern auf Austauschverträgen, personellen Verbindungen oder anderen, tatsächlichen Umständen beruhen. Eine nur vorübergehende Kontrollmöglichkeit ist keine "Kontrolle" i.S.d. EU-Fusionskontrolle.
Das Element der Dauerhaftigkeit hat u.a. Bedeutung für die Behandlung aufeinanderfolgender Transaktionen, von denen einige nur Übergangscharakter haben:
▪ |
Tun sich mehrere Unternehmen zusammen, um ein anderes Unternehmen zu erwerben und die erworbenen Vermögenswerte unmittelbar nach Vollzug dieser ersten Transaktion nach einem im Voraus vereinbarten Plan untereinander aufzuteilen, betrachtet die Kommission unter gewissen Umständen nur die Transaktionen im zweiten Schritt (Aufteilung) als Kontrollerwerb, nicht dagegen den gemeinsamen Erwerb des Unternehmens im ersten Schritt. |
▪ |
Haben mehrere Unternehmen während einer Anlaufzeit (normalerweise höchstens ein Jahr) gemeinsame Kontrolle über ein anderes Unternehmen, während eines der Unternehmen auf Grundlage rechtsverbindlicher Vereinbarungen später die alleinige Kontrolle übernehmen soll, kann unter gewissen Umständen der gesamte Vorgang als Erwerb der Alleinkontrolle zu bewerten sein. |
▪ |
Wird ein Unternehmen auf der Grundlage einer Vereinbarung über den künftigen Weiterverkauf an den endgültigen Erwerber vorübergehend bei einem anderen Käufer – z.B. einer Bank – "geparkt", ist diese Zwischenlösung unter gewissen Umständen als erster Schritt des Kontrollerwerbs durch den endgültigen Erwerber und nicht als Kontrollerwerb durch den Zwischenerwerber zu bewerten. |
In solchen Fällen kann also eine "wirtschaftliche Betrachtung" der einzelnen Transaktionen geboten sein. Von Bedeutung ist das v.a. für die Feststellung der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen, deren Umsätze für die Ermittlung der fusionskontrollrechtlichen Anmeldepflichten relevant sind (vgl. dazu u. Rdn 143 ff.).
Rz. 122
Ein Kontrollerwerb liegt nur vor, wenn die Kontrolle in andere Hände übergeht. Konzerninterne Umstrukturierungen werden nicht erfasst.
aa) Verschiedene Formen der Kontrolle
Rz. 123
Die Möglichkeit zur Ausübung eines bestimmenden Einflusses kann nicht nur ein Unternehmen alleine haben (Fall der "...