Dr. Peter Niggemann, Dr. Martin Buntscheck
Rz. 134
Der EU-Fusionskontrolle unterliegen gem. Art. 1 Abs. 1 FKVO nur Zusammenschlüsse mit "gemeinschaftsweiter Bedeutung".
Rz. 135
Wann ein Zusammenschluss gemeinschaftsweite Bedeutung hat, wird abschließend in den beiden – alternativen – Umsatzschwellen der Art. 1 Abs. 2 FKVO und Art. 1 Abs. 3 FKVO definiert. Sobald eine dieser beiden Umsatzschwellen erfüllt ist, hat der Zusammenschluss gemeinschaftsweite Bedeutung.
a) Erste Schwelle: Art. 1 Abs. 2 FKVO
Rz. 136
Art. 1 Abs. 2 FKVO knüpft das Vorliegen einer gemeinschaftsweiten Bedeutung an drei Voraussetzungen.
Danach ist die EU-Fusionskontrolle anwendbar, wenn
▪ |
der weltweite Gesamtumsatz aller beteiligten Unternehmen zusammen mehr als 5 Mrd. EUR beträgt und |
▪ |
mindestens zwei beteiligte Unternehmen einen gemeinschaftsweiten Gesamtumsatz von jeweils mehr als 250 Mio. EUR haben, es sei denn, |
▪ |
alle beteiligten Unternehmen haben jeweils mehr als ⅔ ihres gemeinschaftsweiten Gesamtumsatzes in ein und demselben Mitgliedstaat erzielt. |
Beispiel
Das Unternehmen A möchte die alleinige Kontrolle über das Unternehmen B erwerben. Das Unternehmen A und das Unternehmen B haben die folgenden Umsätze erzielt:
|
Unternehmen A (EUR) |
Unternehmen B (EUR) |
Weltweit |
4,0 Mrd. |
1,5 Mrd. |
EU-weit |
2,5 Mrd. |
1,0 Mrd. |
Deutschland |
2,4 Mrd. |
200 Mio. |
Frankreich |
0 |
700 Mio. |
Der Zusammenschluss unterliegt der EU-Fusionskontrolle. Die Umsatzschwellen des Art. 1 Abs. 2 FKVO sind erfüllt. Zwar haben sowohl Unternehmen A (in Deutschland) als auch Unternehmen B (in Frankreich) mehr als ⅔ ihres jeweiligen EU-weiten Umsatzes in einem einzigen Mitgliedstaat erzielt. Die Anwendbarkeit der EU-Fusionskontrolle würde aber nur entfallen, wenn beide Unternehmen mehr als ⅔ ihres jeweiligen EU-weiten Umsatzes in demselben Mitgliedstaat erzielt hätten. Das ist hier nicht der Fall.
b) Zweite Schwelle: Art. 1 Abs. 3 FKVO
Rz. 137
Art. 1 Abs. 3 FKVO ist komplizierter als Art. 1 Abs. 2 FKVO. Er knüpft das Vorliegen einer gemeinschaftsweiten Bedeutung an fünf Voraussetzungen.
Danach ist die EU-Fusionskontrolle anwendbar, wenn
▪ |
der weltweite Gesamtumsatz aller beteiligten Unternehmen zusammen mehr als 2,5 Mrd. EUR beträgt und |
▪ |
mindestens zwei beteiligte Unternehmen einen gemeinschaftsweiten Gesamtumsatz von jeweils mehr als 100 Mio. EUR haben und |
▪ |
der Gesamtumsatz aller beteiligten Unternehmen zusammen in mindestens drei Mitgliedstaaten jeweils 100 Mio. EUR übersteigt und |
▪ |
mindestens zwei beteiligte Unternehmen in jedem von mindestens drei dieser Mitgliedstaaten einen Gesamtumsatz von jeweils mehr als 25 Mio. EUR haben, es sei denn, |
▪ |
alle beteiligten Unternehmen haben jeweils mehr als ⅔ ihres gemeinschaftsweiten Gesamtumsatzes in ein und demselben Mitgliedsstaat erzielt. |
Beispiel
Das Unternehmen A und das Unternehmen B möchten jeweils 50 % der Stimmrechtsanteile und damit die gemeinsame Kontrolle über das Unternehmen C erwerben. Die beteiligten Unternehmen haben die folgenden Umsätze erzielt:
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Unternehmen A (EUR) |
Unternehmen B (EUR) |
Unternehmen C (EUR) |
Weltweit |
1,2 Mrd. |
1,0 Mrd. |
800 Mio. |
EU-weit |
50 Mio. |
200 Mio. |
300 Mio. |
Deutschland |
50 Mio. |
20 Mio. |
10 Mio. |
Frankreich |
0 |
30 Mio. |
100 Mio. |
Italien |
0 |
50 Mio. |
60 Mio. |
Spanien |
0 |
80 Mio. |
80 Mio. |
Der Zusammenschluss unterliegt der EU-Fusionskontrolle. Die Umsatzschwelle des Art. 1 Abs. 2 FKVO ist hier zwar nicht erfüllt, dafür jedoch die Umsatzschwelle des Art. 1 Abs. 3 FKVO. Die Unternehmen A, B und C haben gemeinsam einen weltweiten Umsatz von mehr als 2,5 Mrd. EUR erzielt. Der EU-weite Umsatz von Unternehmen B und C betrug jeweils mehr als 100 Mio. EUR. Darüber hinaus haben die Unternehmen B und C – also zwei beteiligte Unternehmen – in den Mitgliedstaaten Frankreich, Italien und Spanien jeweils mehr als 25 Mio. EUR Umsatz erzielt. Der gemeinsame Umsatz der Unternehmen A, B und C in diesen Mitgliedstaaten lag jeweils über 100 Mio. EUR. Die Voraussetzungen der ⅔-Ausnahme sind nicht gegeben.
c) Begriff des "Gesamtumsatzes"
Rz. 138
Art. 5 FKVO enthält detaillierte Vorgaben für die Berechnung des Gesamtumsatzes eines Unternehmens. Weitere Auslegungshilfen gibt die Kommission in ihrer Konsolidierten Mitteilung über Zuständigkeitsfragen.
"Gesamtumsatz" ist gem. Art. 5 Abs. 1 FKVO die Summe aller Umsätze, die ein beteiligtes Unternehmen im letzten Geschäftsjahr mit Waren und Dienstleitungen erzielt hat und die dem normalen geschäftlichen Tätigkeitsbereich des Unternehmens zuzuordnen sind, unter Abzug von Erlösschmälerungen, der USt und anderer unmittelbar auf den Umsatz bezogener Steuern. Der Umsatzbegriff der EU-Fusionskontrolle entspricht damit weitgehend den "Umsätzen" bzw. "Umsatzerlösen", wie sie in der Gewinn- und Verlustrechnung eines Unternehmens (z.B. aufgrund von § 277 HGB) ausgewiesen werden.
In der Praxis stützt sich die Kommission bei der Umsatzbestimmung grds. auf die jeweils letzten geprüften Abschlüsse eines Unternehmens. Diese sind aber ggf. anzupassen, wenn es zwischenzeitlich zu Übernahmen, Veräußerungen oder Stilllegungen gekommen ist, die in dem letzten Abschluss nicht bzw. nicht vollständig zum Ausdruck gekommen sind.
Hinweis
In der Praxis schwierig – ...