Dr. Peter Niggemann, Dr. Martin Buntscheck
Rz. 241
In der deutschen Fusionskontrolle gilt – ebenso wie im EU-Recht – ein Vollzugsverbot. Anmeldepflichtige Zusammenschlüsse dürfen gem. § 41 Abs. 1 Satz 1 GWB nicht vollzogen werden, bevor sie vom Bundeskartellamt freigegeben wurden oder die gesetzlichen Untersagungsfristen abgelaufen sind. Die inhaltliche Reichweite des Vollzugsverbots entspricht im Wesentlichen der Regelung in der EU-Fusionskontrolle (vgl. dazu o. Rdn 157 ff.).
Rz. 242
In Ausnahmefällen kann das Bundeskartellamt auf Antrag gem. § 41 Abs. 2 GWB eine Befreiung vom Vollzugsverbot erteilen, insb. wenn dadurch schwerer Schaden von einem der beteiligten Unternehmen abgewendet wird. In der Praxis erteilt das Bundeskartellamt solche Befreiungen – wenn überhaupt – nur nach eingehender Prüfung und häufig nur gegen weitreichende Auflagen.
Rz. 243
Ebenso wie im EU-Recht gibt es auch in der deutschen Fusionskontrolle eine Ausnahme vom Vollzugsverbot für öffentliche Übernahmeangebote. Nach § 41 Abs. 1a GWB sind öffentliche Übernahmeangebote und sog. "schleichende Übernahmen" (durch eine Reihe von Rechtsgeschäften mit Wertpapieren) vom Vollzugsverbot ausgenommen, wenn sie unverzüglich beim Bundeskartellamt angemeldet werden und der Erwerber die mit den Anteilen verbundenen Stimmrechte nicht ausübt. Auf Antrag kann das Bundeskartellamt dem Erwerber in solchen Fällen gestatten, seine Stimmrechte zur Erhaltung des vollen Wertes seiner Investition auszuüben.
Rz. 244
Rechtsgeschäfte, die gegen das Vollzugsverbot verstoßen, sind gem. § 41 Abs. 1 Satz 2 GWB (schwebend) unwirksam. Eine Ausnahme gilt gem. § 41 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 und 2 GWB für Grundstücksgeschäfte und Unternehmensverträge, wenn sie durch Eintragung in das Grundbuch bzw. das zuständige Register rechtswirksam geworden sind. Darüber hinaus entfällt die Unwirksamkeit von Vollzugsgeschäften ex tunc, wenn der Zusammenschluss nach Vollzug angezeigt und das Entflechtungsverfahren eingestellt wird (§ 41 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GWB).
Rz. 245
Der vorsätzliche oder fahrlässige Verstoß gegen das Vollzugsverbot ist gem. § 81 Abs. 2 Nr. 1 GWB eine Ordnungswidrigkeit, die mit Geldbußen bis zu einem Betrag von 1 Mio. EUR sowie darüber hinaus bis zu 10 % des jährlichen Gesamtumsatzes des beteiligten Unternehmens geahndet werden kann (§ 81 Abs. 4 GWB).
In der Praxis wird dem fusionskontrollrechtlichen Vollzugsverbot meist mit der Aufnahme sog. "Kartellvorbehalte" in den Unternehmenskaufvertrag Rechnung getragen.
Rz. 246
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Muster 26.3: Kartellvorbehalt Unternehmenskauf unter deutscher Fusionskontrolle
Der Erwerb wird erst wirksam (aufschiebende Bedingung), wenn
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das Bundeskartellamt in Bezug auf diesen Erwerb gem. § 41 Abs. 2 GWB eine Befreiung vom Vollzugsverbot erteilt hat, |
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die Frist des § 40 Abs. 1 Satz 1 GWB (Monatsfrist) seit Eingang der vollständigen Anmeldung beim Bundeskartellamt verstrichen ist, ohne dass das Bundeskartellamt gem. § 40 Abs. 1 Satz 1 GWB mitgeteilt hat, dass es das Hauptprüfverfahren eingeleitet hat, |
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die Frist des § 40 Abs. 2 Satz 2 GWB (Fünfmonatsfrist) – ggf. i.V.m. § 40 Abs. 2 Satz 4–7 GWB (verlängerte bzw. gehemmte Frist) – seit Eingang der vollständigen Anmeldung beim Bundeskartellamt verstrichen ist, ohne dass das Bundeskartellamt den Erwerb untersagt hat, oder |
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das Bundeskartellamt dem anmeldenden Unternehmen schriftlich mitgeteilt hat, dass der Erwerb nicht die Untersagungsvoraussetzungen des § 36 Abs. 1 GWB erfüllt und vollzogen werden kann (Freigabe). |