Dr. Peter Niggemann, Dr. Martin Buntscheck
Rz. 163
Das EU-Fusionskontrollverfahren ist sehr formal ausgestaltet.
a) Anmeldezeitpunkt
Rz. 164
Gem. Art. 4 Abs. 1 FKVO sind anmeldepflichtige Zusammenschlüsse "nach Vertragsschluss, Veröffentlichung des Übernahmeangebots oder Erwerb einer die Kontrolle begründenden Beteiligung und vor ihrem Vollzug" anzumelden. Eine Anmeldefrist gibt es nicht.
Ein Zusammenschlussvorhaben ist aber schon vor Vertragsschluss etc. anmeldefähig, wenn die beteiligten Unternehmen der Kommission ggü. glaubhaft machen, dass sie gewillt sind, einen Vertrag zu schließen, oder im Fall eines Übernahmeangebots öffentlich ihre Absicht zur Abgabe eines solchen Angebots bekundet haben.
b) Anmeldende Unternehmen
Rz. 165
Zusammenschlüsse in Form einer Fusion oder eines Erwerbs der gemeinsamen Kontrolle sind gem. Art. 4 Abs. 2 FKVO von allen an der Fusion oder dem Erwerb der gemeinsamen Kontrolle beteiligten Unternehmen gemeinsam anzumelden. In allen anderen Fällen ist die Anmeldung (nur) vom Erwerber vorzunehmen.
c) Inhalt der Anmeldung
Rz. 166
Die Anmeldung muss den Vorgaben des Formblattes CO bzw. des Vereinfachten Formblattes CO entsprechen. Beide Formblätter verlangen umfangreiche Auskünfte über die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen, den Inhalt und Hintergrund des geplanten Zusammenschlusses sowie die ggf. von dem Zusammenschluss betroffenen Märkte (z.B. detaillierte Angaben zu Marktanteilen, Wettbewerbern, Kunden und Lieferanten). Die Anmeldung kann in jeder Amtssprache der Europäischen Gemeinschaft verfasst werden.
d) Informelle Vorklärung
Rz. 167
Es ist üblich – und wird von der Kommission auch erwartet –, dass vor Einreichung der förmlichen Anmeldung stets eine informelle Vorklärung erfolgt.
Das geschieht zweckmäßigerweise dadurch, dass der Kommission eine – im Prinzip vollständige – Anmeldung im Entwurf geschickt wird, verbunden mit der Bitte, die Anmeldung in dieser Form einreichen zu können. In schwierigen Fällen kann es empfehlenswert sein, schon zu diesem frühen Zeitpunkt um eine erste Besprechung zu bitten, um das Zusammenschlussvorhaben und die beteiligten Unternehmen in einem persönlichen Gespräch vorstellen und mit der Kommission das weitere Verfahren besprechen zu können.
Hinweis
In offensichtlich unproblematischen Fällen kann die informelle Vorklärung innerhalb von 1–2 Wochen abgeschlossen sein. Bei schwierigeren Fällen können zwischen dem ersten, informellen Kontakt mit der Kommission und der förmlichen Einreichung der Anmeldung aber durchaus mehrere Wochen oder sogar Monate vergehen. Aus diesem Grund sollte – insb. in möglicherweise problematischen Fällen – frühzeitig mit der Vorbereitung eines Anmeldungsentwurfs begonnen werden.
e) "Erste Phase"
Rz. 168
Nach Eingang der vollständigen Anmeldung hat die Kommission gem. Art. 10 Abs. 1 FKVO insgesamt 25 Arbeitstage Zeit, um zu prüfen, ob der Zusammenschluss Anlass zu ernsthaften Bedenken gibt (sog. "erste Phase").
Diese Frist verlängert sich auf insgesamt 35 Arbeitstage, wenn ein Mitgliedstaat einen Verweisungsantrag stellt oder wenn die beteiligten Unternehmen der Kommission schon in der "ersten Phase" Zusagen anbieten, um etwaige Bedenken der Kommission auszuräumen.
Gibt der Zusammenschluss Anlass zu ernsthaften Bedenken, trifft die Kommission die Entscheidung, das Verfahren einzuleiten (Beginn der sog. "zweiten Phase"). Bestehen solche Bedenken nicht, erklärt die Kommission den Zusammenschluss für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar, d.h. sie gibt ihn – ggf. unter Bedingungen und/oder Auflagen – frei.
f) "Zweite Phase"
Rz. 169
Nach Einleitung des Verfahrens, d.h. nach Beginn der "zweiten Phase", hat die Kommission gem. Art. 10 Abs. 3 FKVO weitere 90 Arbeitstage Zeit, um über den Zusammenschluss zu entscheiden.
Diese Frist verlängert sich auf insgesamt 105 Arbeitstage, wenn die beteiligten Unternehmen erst in einem späten Stadium der "zweiten Phase" (55 Arbeitstage oder mehr nach Einleitung des Verfahrens) Zusagen anbieten, um die Bedenken der Kommission zu zerstreuen. Eine weitere Verlängerung um höchstens 20 Arbeitstage kann auf rechtzeitigen Antrag der Anmelder oder der Kommission mit Zustimmung der Anmelder erfolgen.
In schwierigen Fällen kann sich ein Fusionskontrollverfahren vor der Kommission – einschließlich des informellen Vorverfahrens – also durchaus über mehr als 6 Monate hinziehen.
g) Zusagen, Auflagen und Bedingungen
Rz. 170
Die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen können ein angemeldetes Zusammenschlussvorhaben sowohl in der "ersten Phase" als auch in der "zweiten Phase" des Fusionskontrollverfahrens abändern, um von der Kommission geäußerte Bedenken in Bezug auf die Freigabefähigkeit auszuräumen.
Hinweis
In der Praxis ist es Sache der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen, der Kommission geeignete Zusagen anzubieten. Dabei kann es sich um Veräußerungszusagen (z.B. Veräußerung eines Geschäftsbereichs, einer Tochtergesellschaft etc.), aber auch um andere geeignete Abhilfemaßnahmen (z.B. Verkauf von Schlüsseltechnologien, Vergabe von Lizenzen etc.) handeln. Anders als im Bereich der deutschen Fusionskontrolle können in der EU-Fusionskont...