Dr. Peter Niggemann, Dr. Martin Buntscheck
Rz. 120
"Kontrolle" wird in Art. 3 Abs. 2 FKVO definiert als die "Möglichkeit, einen bestimmenden Einfluss auf die Tätigkeit eines Unternehmens auszuüben". Auch der Kontrollerwerb durch eine natürliche Person, die selbst nicht unternehmerisch tätig ist, kann unter Art. 3 Abs. 1 Buchst. b) FKVO fallen, sofern diese Person mindestens ein (anderes) Unternehmen kontrolliert.
Es ist nicht erforderlich, dass der bestimmende Einfluss tatsächlich ausgeübt wird. Die Möglichkeit dazu reicht aus, um Kontrolle i.S.v. Art. 3 Abs. 2 FKVO zu begründen.
Ebenfalls nicht erforderlich ist, dass die Kontrolle gesellschaftsrechtlich vermittelt ist. Sie kann gem. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b) FKVO durch den Erwerb von Anteilsrechten oder Vermögenswerten, aber auch durch Vertrag oder "in sonstiger Weise" vermittelt werden. So kann Kontrolle z.B. auf vertraglicher Grundlage erworben werden, sofern der Vertrag eine ähnliche Kontrolle über Unternehmensleitung und Ressourcen des anderen Unternehmens bewirkt wie der Erwerb von Anteilsrechten oder Vermögenswerten (z.B. Abschluss von Beherrschungsverträgen, Betriebspachtverträgen etc.).
Rz. 121
Der Begriff der "Kontrolle" setzt allerdings eine gewisse Dauerhaftigkeit voraus. Daran kann es z.B. fehlen, wenn die Einflussmöglichkeiten nicht gesellschaftsrechtlich vermittelt werden, sondern auf Austauschverträgen, personellen Verbindungen oder anderen, tatsächlichen Umständen beruhen. Eine nur vorübergehende Kontrollmöglichkeit ist keine "Kontrolle" i.S.d. EU-Fusionskontrolle.
Das Element der Dauerhaftigkeit hat u.a. Bedeutung für die Behandlung aufeinanderfolgender Transaktionen, von denen einige nur Übergangscharakter haben:
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Tun sich mehrere Unternehmen zusammen, um ein anderes Unternehmen zu erwerben und die erworbenen Vermögenswerte unmittelbar nach Vollzug dieser ersten Transaktion nach einem im Voraus vereinbarten Plan untereinander aufzuteilen, betrachtet die Kommission unter gewissen Umständen nur die Transaktionen im zweiten Schritt (Aufteilung) als Kontrollerwerb, nicht dagegen den gemeinsamen Erwerb des Unternehmens im ersten Schritt. |
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Haben mehrere Unternehmen während einer Anlaufzeit (normalerweise höchstens ein Jahr) gemeinsame Kontrolle über ein anderes Unternehmen, während eines der Unternehmen auf Grundlage rechtsverbindlicher Vereinbarungen später die alleinige Kontrolle übernehmen soll, kann unter gewissen Umständen der gesamte Vorgang als Erwerb der Alleinkontrolle zu bewerten sein. |
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Wird ein Unternehmen auf der Grundlage einer Vereinbarung über den künftigen Weiterverkauf an den endgültigen Erwerber vorübergehend bei einem anderen Käufer – z.B. einer Bank – "geparkt", ist diese Zwischenlösung unter gewissen Umständen als erster Schritt des Kontrollerwerbs durch den endgültigen Erwerber und nicht als Kontrollerwerb durch den Zwischenerwerber zu bewerten. |
In solchen Fällen kann also eine "wirtschaftliche Betrachtung" der einzelnen Transaktionen geboten sein. Von Bedeutung ist das v.a. für die Feststellung der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen, deren Umsätze für die Ermittlung der fusionskontrollrechtlichen Anmeldepflichten relevant sind (vgl. dazu u. Rdn 143 ff.).
Rz. 122
Ein Kontrollerwerb liegt nur vor, wenn die Kontrolle in andere Hände übergeht. Konzerninterne Umstrukturierungen werden nicht erfasst.
aa) Verschiedene Formen der Kontrolle
Rz. 123
Die Möglichkeit zur Ausübung eines bestimmenden Einflusses kann nicht nur ein Unternehmen alleine haben (Fall der "Alleinkontrolle"). Ein Zusammenschluss liegt auch vor, wenn mehrere Unternehmen gemeinsam einen bestimmenden Einfluss über ein anderes Unternehmen erwerben. Dann spricht man von "gemeinsamer Kontrolle".
bb) Alleinkontrolle
Rz. 124
Alleinkontrolle liegt vor, wenn ein Unternehmen alleine, d.h. unter Ausschluss Dritter, einen bestimmenden Einfluss auf ein anderes Unternehmen ausüben kann. Wichtigster Anwendungsfall ist der Erwerb der Stimmrechtsmehrheit in einem anderen Unternehmen, sofern die anderen Gesellschafter keine besonderen Veto-Rechte haben. Nicht ausreichend ist dagegen der Erwerb einer bloßen Kapital- ohne gleichzeitige Stimmrechtsmehrheit, wenn sich die Kontrolle nicht aus anderen Faktoren ergibt.
Rz. 125
Alleinkontrolle kann ausnahmsweise auch in Fällen einer "qualifizierten Minderheitsbeteiligung" bestehen. Die Kommission unterscheidet die folgenden Fallgruppen:
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Die Minderheitsbeteiligung ist mit besonderen Rechten ausgestattet, die im Ergebnis auf eine Stimmrechtsmehrheit hinauslaufen. |
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Der Minderheitsgesellschafter verfü... |