Dr. Peter Niggemann, Dr. Martin Buntscheck
Rz. 102
Gem. § 57 GWB kann die Kartellbehörde alle Ermittlungen führen und alle Beweise erheben, die erforderlich sind. Dies ist Ausdruck des Amtsermittlungsgrundsatzes. Für den Beweis durch Zeugen, Augenschein und Sachverständige sind die Vorschriften der ZPO sinngemäß anzuwenden. Die Kartellbehörde darf daher formlos bei Behörden, Unternehmen und Privatpersonen ermitteln, soweit sie dadurch deren Rechte nicht verletzt. Gegen Verfügungen im Beweisverfahren ist die Beschwerde gem. §§ 63 ff. GWB statthaft. Gem. § 58 Abs. 1 Satz 1 GWB kann die Kartellbehörde Beweismittel beschlagnahmen. Die Beschlagnahme ist stets ohne vorherige richterliche Entscheidung zulässig; falls weder der Betroffene noch ein erwachsener Angehöriger bei der Beschlagnahme anwesend war bzw. wenn eine dieser Personen der Beschlagnahme widersprochen hat, muss die Beschlagnahme innerhalb von 3 Tagen richterlich bestätigt werden. Anderenfalls erlischt sie. Der Betroffene kann beim AG, in dessen Bezirk die Beschlagnahme stattgefunden hat, um richterliche Entscheidung über die Beschlagnahme nachsuchen. Hiergegen ist wiederum die Beschwerde – nicht gem. §§ 63 ff. GWB, sondern nach §§ 306 ff. StPO – zulässig. Im Rahmen der Beschlagnahme ist § 97 StPO entsprechend anzuwenden.
Rz. 103
Darüber hinaus kann die Kartellbehörde Auskünfte sowie die Herausgabe von Unterlagen von den betroffenen Unternehmen verlangen, die Unterlagen innerhalb der üblichen Geschäftszeiten einsehen und prüfen und dazu die Räume der Unternehmen betreten. Auskunftsverlangen müssen verhältnismäßig sein und Durchsuchungen dürfen nur nach richterlicher Anordnung oder bei Gefahr im Verzug durchgeführt werden (§ 59b Abs. 2 Satz 1 und 3 GWB). Bei Durchsuchungen und in Auskunftsverlangen an Unternehmen darf die nationale Kartellbehörde Auskunft von Mitarbeitern oder Unternehmensvertretern verlangen (§ 59b Abs. 3 Nr. 3 und § 59 Abs. 3 Satz 3 4 GWB). Bis zur 10. GWB-Novelle galt bei Gefahr der Selbstbelastung ein Auskunftsverweigerungsrecht (§ 59 Abs. 5 GWB a.F.). Mit der 10. GWB-Novelle kam es zu einem Systemwechsel, so dass es mittlerweile für Mitarbeiter und Unternehmensvertreter eine Pflicht zu (selbst-)belastenden Aussagen gibt. Gegen den Mitarbeiter und Unternehmensvertreter selbst dürfen die Aussagen zwar nur mit seiner Zustimmung in einem Strafverfahren, Verfahren nach dem GWB oder in einem OWiG-Verfahren verwendet werden (§ 59 Abs. 3 Satz 4 und § 59b Abs. 3 a.E. GWB), aber gegen das Unternehmen sind diese Aussagen voll verwertbar. Darüber hinaus ist im Rahmen aller Ermittlungshandlungen das Übermaßverbot zu beachten. Auskunftsersuchen und Prüfungsanordnungen können mit der Beschwerde gem. §§ 63 ff. GWB angegriffen werden. Für die Anfechtung der Durchsuchung gelten die Vorschriften der StPO (vgl. § 59b Abs. 2 Satz 2 GWB).
Rz. 104
Die vorstehenden Befugnisse gelten nur im Verwaltungsverfahren. Im Bußgeldverfahren richten sich die Befugnisse der Kartellbehörde gem. § 46 OWiG nach den Gesetzen über das Strafverfahren. Grds. hat die Kartellbehörde damit die gleichen Rechte und Pflichten wie die Staatsanwaltschaft (§ 46 Abs. 2 OWiG). Anstaltsunterbringung, Verhaftung und vorläufige Festnahme, Beschlagnahme von Postsendungen und Telegrammen sowie Auskunftsersuchen über Umstände, die dem Post- und Fernmeldegeheimnis unterliegen, sind allerdings unzulässig (§ 46 Abs. 3 OWiG).