Dr. Peter Niggemann, Dr. Martin Buntscheck
Rz. 214
Nach § 37 Abs. 1 Nr. 3 GWB kann auch der Erwerb von Anteilen an einem anderen Unternehmen ein Zusammenschluss sein. Insoweit wird nicht zwischen Anteilen an Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften unterschieden. Es können daher grds. auch "Anteile" an einer OHG, einer KG oder einer GbR erworben werden.
Rz. 215
Kapitalanteile und Stimmbeteiligungen werden gleichbehandelt. "Anteilserwerb" i.S.v. § 37 Abs. 1 Nr. 3 GWB kann daher sowohl der Stimmrechtserwerb (ggf. ohne Kapitalbeteiligung) als auch der Erwerb einer Kapitalbeteiligung (ggf. ohne Stimmrecht) sein.
Rz. 216
Ein Zusammenschluss i.S.v. § 37 Abs. 1 Nr. 3 GWB liegt vor, wenn die erworbenen Anteile zusammen mit ggf. schon dem Erwerber gehörenden Anteilen am Zielunternehmen 50 % oder 25 % erreichen. Zu den Anteilen, die dem Erwerber gehören, gehören gem. § 37 Abs. 1 Nr. 3 GWB auch die Anteile, die für seine Rechnung von einem anderen gehalten werden, z.B. im Rahmen von Treuhandverhältnissen.
Beispiel
Die A-GmbH erwirbt eine Beteiligung von 10 % an der B-GmbH, an der sie zuvor schon zu 20 % beteiligt war. Die Aufstockung der Beteiligung auf insgesamt 30 % erfüllt den Zusammenschlusstatbestand des § 37 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. b) GWB (Erwerb einer 25 %igen Beteiligung).
Rz. 217
Das Erreichen jeder der beiden Beteiligungsstufen von 25 % bzw. 50 % stellt einen selbstständigen Zusammenschluss dar.
Beispiel
Die A-GmbH erwirbt eine Beteiligung von 30 % an der B-GmbH. Das ist ein Zusammenschluss in Form des Anteilserwerbs gem. § 37 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. b) GWB (Erwerb einer mindestens 25 %igen Beteiligung).
Später erwirbt die A-GmbH eine weitere Beteiligung von 10 % an der B-GmbH. Dadurch wird kein Zusammenschlusstatbestand erfüllt, sofern mit der Aufstockung der Beteiligung kein Kontrollerwerb verbunden ist.
Schließlich erwirbt die A-GmbH eine weitere Beteiligung von 20 % an der B-GmbH. Darin liegt ein Zusammenschluss in Form des Anteilserwerbs nach § 37 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a) GWB (Erwerb einer mindestens 50 %igen Beteiligung).
Rz. 218
Die Beteiligungsgrenzen des § 37 Abs. 1 Nr. 3 GWB gelten gleichermaßen für Kapital- und Stimmrechtsanteile. Wird die Beteiligungsschwelle von 25 % bzw. 50 % einmal erreicht, kann durch das Nachziehen des anderen Parameters aber nicht noch einmal ein Anteilserwerb i.S.v. § 37 Abs. 1 Nr. 3 GWB erfüllt werden.
Rz. 219
Die Beteiligungsgrenzen von 25 % bzw. 50 % sind formal zu verstehen. So ist z.B. die Aufstockung einer Beteiligung von 49,99 % auf 50 % auch dann ein Zusammenschluss, wenn sich durch sie nichts an den Einflussmöglichkeiten des Erwerbers auf das Zielunternehmen ändert.
Rz. 220
Eine beim ersten Lesen nur schwer verständliche Besonderheit ist in § 37 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 GWB geregelt. Erwerben danach mehrere Unternehmen gleichzeitig oder nacheinander Anteile i.H.v. 25 % bzw. 50 % an einem anderen Unternehmen, gilt dies zugleich als Zusammenschluss zwischen diesen Anteilseignern auf den Märkten, auf denen das Zielunternehmen tätig ist. Der Sache nach handelt es sich um die Fiktion eines Zusammenschlusses der Gesellschafter untereinander.
Beispiel
Die A-GmbH erwirbt eine Beteiligung von 30 % an der C-GmbH. Die B-GmbH ist bereits zu 40 % an der C-GmbH beteiligt. Der Erwerb der 30 %igen Beteiligung durch die A-GmbH gilt als Zusammenschluss zwischen der A-GmbH und der C-GmbH, gleichzeitig aber auch als Zusammenschluss zwischen der A-GmbH und der B-GmbH.
Rz. 221
Diese Zusammenschlussfiktion kann dazu führen, dass die Umsatzschwellen des § 35 GWB erfüllt sind und der Anteilserwerb damit der deutschen Fusionskontrolle unterliegt, obwohl die Umsatzschwellen durch den unmittelbar am Anteilserwerb beteiligten Erwerber und das Zielunternehmen nicht erreicht worden wären.
Rz. 222
Die Zusammenschlussfiktion des § 37 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 GWB gilt, trotz ihrer etwas unglücklichen Formulierung, nur für die formelle Fusionskontrolle. Im Bereich der materiellen Fusionskontrolle können die am Zielunternehmen zu 25 % oder mehr beteiligten Gesellschafter nicht ohne weiteres als wettbewerbliche Einheit angesehen werden.