Dr. Peter Niggemann, Dr. Martin Buntscheck
Rz. 138
Art. 5 FKVO enthält detaillierte Vorgaben für die Berechnung des Gesamtumsatzes eines Unternehmens. Weitere Auslegungshilfen gibt die Kommission in ihrer Konsolidierten Mitteilung über Zuständigkeitsfragen.
"Gesamtumsatz" ist gem. Art. 5 Abs. 1 FKVO die Summe aller Umsätze, die ein beteiligtes Unternehmen im letzten Geschäftsjahr mit Waren und Dienstleitungen erzielt hat und die dem normalen geschäftlichen Tätigkeitsbereich des Unternehmens zuzuordnen sind, unter Abzug von Erlösschmälerungen, der USt und anderer unmittelbar auf den Umsatz bezogener Steuern. Der Umsatzbegriff der EU-Fusionskontrolle entspricht damit weitgehend den "Umsätzen" bzw. "Umsatzerlösen", wie sie in der Gewinn- und Verlustrechnung eines Unternehmens (z.B. aufgrund von § 277 HGB) ausgewiesen werden.
In der Praxis stützt sich die Kommission bei der Umsatzbestimmung grds. auf die jeweils letzten geprüften Abschlüsse eines Unternehmens. Diese sind aber ggf. anzupassen, wenn es zwischenzeitlich zu Übernahmen, Veräußerungen oder Stilllegungen gekommen ist, die in dem letzten Abschluss nicht bzw. nicht vollständig zum Ausdruck gekommen sind.
Hinweis
In der Praxis schwierig – und für die Bestimmung der Anwendbarkeit der EU-Fusionskontrolle mitunter entscheidend – kann die geographische Zuordnung der Umsätze sein. Nach der Praxis der Kommission kommt es für die geographische Zuordnung des Umsatzes grds. auf den Standort des Kunden an.
Rz. 139
Für Banken und Versicherungen enthält Art. 5 Abs. 3 FKVO Sonderregelungen. Danach sind bei Banken (definiert als Kredit- und sonstige Finanzinstitute) anstelle des Umsatzes die betrieblichen Erträge und bei Versicherungsunternehmen die Bruttoprämien zu berücksichtigen.
Für die geographische Zuordnung der betrieblichen Erträge ist bei Kredit- und Finanzinstituten ausnahmsweise nicht der Standort des Kunden, sondern der Standort der Zweig- oder Geschäftsstelle, die den Ertrag verbucht hat, entscheidend.
Rz. 140
Gehört ein am Zusammenschluss beteiligtes Unternehmen zu einer Gruppe miteinander verbundener Unternehmen, kommt es auf den Gesamtumsatz der gesamten Unternehmensgruppe an (Art. 5 Abs. 4 FKVO).
Zusammenzurechnen sind danach die Umsätze:
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des am Zusammenschluss unmittelbar beteiligten Unternehmens selbst, |
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seiner Tochtergesellschaften, definiert als Unternehmen, in denen das beteiligte Unternehmen unmittelbar oder mittelbar entweder
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mehr als die Hälfte des Kapitals oder des Betriebsvermögens besitzt oder |
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über mehr als die Hälfte der Stimmrechte verfügt oder |
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mehr als die Hälfte der Mitglieder des Aufsichtsrats, des Verwaltungsrats oder der zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organe bestellen kann oder |
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das Recht hat, die Geschäfte des Unternehmens zu führen, |
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seiner Muttergesellschaften, definiert als Unternehmen, die in dem beteiligten Unternehmen die oben genannten Rechte oder Einflussmöglichkeiten haben, |
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der anderen Tochtergesellschaften der Muttergesellschaften, definiert als Unternehmen, in denen eine der Muttergesellschaften die oben genannten Rechte oder Einflussmöglichkeiten hat, und |
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anderer von der Unternehmensgruppe kontrollierter Unternehmen, definiert als Unternehmen, in denen mehrere der vorstehend definierten Unternehmen gemeinsam die oben genannten Rechte oder Einflussmöglichkeiten haben. |
Rz. 141
Entgegen dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 4 FKVO will die Kommission – zumindest anteilig – auch den Umsatz von Unternehmen mit einbeziehen, an denen die Unternehmensgruppe, zu der das am Zusammenschluss unmittelbar beteiligte Unternehmen gehört, eine mitkontrollierende Beteiligung hält, ohne mehrheitlich beteiligt zu sein (d.h. Gemeinschaftsunternehmen mit konzernfremden Mitgesellschaftern).
Rz. 142
Konzerninterne Umsätze werden bei der Umsatzermittlung nicht berücksichtigt (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 FKVO).
Auf Veräußererseite werden nur die Umsätze berücksichtigt, die auf den veräußerten Unternehmensteil entfallen (Art. 5 Abs. 2 FKVO).