Dr. Peter Niggemann, Dr. Martin Buntscheck
Rz. 129
Anders als der Erwerb der Alleinkontrolle ist die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens gem. Art. 3 Abs. 4 FKVO nur dann ein Zusammenschluss, wenn das Gemeinschaftsunternehmen ein "Vollfunktions-Gemeinschaftsunternehmen" ist, das auf Dauer alle Funktionen einer selbstständigen wirtschaftlichen Einheit erfüllt. Die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens, das keinen Vollfunktionscharakter hat, unterliegt nicht der EU-Fusionskontrolle. Sie kann aber im Einzelfall der nationalen Fusionskontrolle der EU-Mitgliedstaaten, insb. der deutschen Fusionskontrolle, unterliegen.
Nach Ansicht der Kommission kommt es auf den Vollfunktionscharakter des Gemeinschaftsunternehmens aber nur bei der Gründung von Gemeinschaftsunternehmen an. Erwerben zwei oder mehr Gesellschafter von Dritten die gemeinsame Kontrolle über ein bereits bestehendes Unternehmen oder Unternehmensteile, soll in jedem Fall ein relevanter Kontrollerwerb vorliegen, ohne dass es auf die Prüfung des Vollfunktionskriteriums ankommt.
Entscheidend für den Vollfunktionscharakter eines Gemeinschaftsunternehmens ist nach Auffassung der Kommission, dass das Unternehmen auf einem Markt alle Funktionen ausübt, die auch von anderen Unternehmen auf diesem Markt wahrgenommen werden. Zu diesem Zweck muss das Gemeinschaftsunternehmen insb. über ein sich dem Tagesgeschäft widmendes Management und ausreichend finanzielle Mittel sowie Personal und Vermögenswerte verfügen, um langfristig seine Tätigkeit ausüben zu können. Kein Vollfunktions-Gemeinschaftsunternehmen liegt vor, wenn das Gemeinschaftsunternehmen nur eine bestimmte Funktion innerhalb der Geschäftstätigkeit seiner Muttergesellschaften übernimmt, z.B. bei reinen Produktions-, F&E- oder Vertriebsgesellschaften.