Dr. Peter Niggemann, Dr. Martin Buntscheck
Rz. 170
Die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen können ein angemeldetes Zusammenschlussvorhaben sowohl in der "ersten Phase" als auch in der "zweiten Phase" des Fusionskontrollverfahrens abändern, um von der Kommission geäußerte Bedenken in Bezug auf die Freigabefähigkeit auszuräumen.
Hinweis
In der Praxis ist es Sache der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen, der Kommission geeignete Zusagen anzubieten. Dabei kann es sich um Veräußerungszusagen (z.B. Veräußerung eines Geschäftsbereichs, einer Tochtergesellschaft etc.), aber auch um andere geeignete Abhilfemaßnahmen (z.B. Verkauf von Schlüsseltechnologien, Vergabe von Lizenzen etc.) handeln. Anders als im Bereich der deutschen Fusionskontrolle können in der EU-Fusionskontrolle grds. auch Zusagen nicht-struktureller Art angeboten werden.
Anhaltspunkte für die Arten von Abhilfemaßnahmen, die die Kommission akzeptiert, finden sich in ihrer Mitteilung über zulässige Abhilfemaßnahmen aus dem Jahr 2008.
Rz. 171
Es ist Sache der beteiligten Unternehmen, der Kommission alle verfügbaren Informationen zu übermitteln, die die Kommission für die Prüfung der vorgeschlagenen Abhilfemaßnahmen benötigt, insb. Informationen über den Inhalt der angebotenen Verpflichtungen, die Bedingungen für ihre Umsetzung und ihre Geeignetheit zur Beseitigung der erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs.
Rz. 172
In der "ersten Phase" des Fusionskontrollverfahrens werden Zusagen von der Kommission in aller Regel nur akzeptiert, wenn sie die identifizierten Wettbewerbsprobleme zweifelsfrei ausräumen. Aufgrund des engen Zeitfensters, das der Kommission in der "ersten Phase" zur Verfügung steht, kann die Geeignetheit von Zusagen nämlich nicht ausführlich, z.B. durch die Versendung entsprechender Auskunftsverlangen an Wettbewerber, Kunden etc., im Markt "getestet" werden. Mitunter kann das dazu führen, dass der Kommission für eine Freigabe in der "ersten Phase" weiterreichende Zusagen angeboten werden müssen, als dies für eine Freigabe in der "zweiten Phase" möglicherweise der Fall gewesen wäre.
Rz. 173
Die Kommission wird die Freigabe des Zusammenschlusses – wenn sie die angebotenen Zusagen als ausreichend ansieht – von der Erfüllung dieser Zusagen abhängig machen, indem sie die Freigabe mit entsprechenden Bedingungen und/oder Auflagen versieht. Bei Veräußerungszusagen wird sie u.a. anordnen, dass der zu veräußernde Unternehmensteil innerhalb einer bestimmten Frist an einen geeigneten Erwerber zu veräußern ist, der seinerseits wieder von der Kommission gebilligt werden muss. Darüber hinaus besteht die Kommission bei Veräußerungszusagen in aller Regel darauf, dass das zu veräußernde Geschäft bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen Veräußerung getrennt geführt werden muss, was i.d.R. durch Einschaltung eines Treuhänders überwacht wird ("Monitoring-Trustee"). Gelingt es den beteiligten Unternehmen nicht, den Unternehmensteil fristgemäß an einen geeigneten Dritten zu veräußern, wird ein Treuhänder mit der Veräußerung beauftragt ("Divestiture Trustee").
Die Kommission hat auf ihrer Homepage mittlerweile Mustertexte für Veräußerungszusagen und die Beauftragung von Treuhändern veröffentlicht, von denen die beteiligten Unternehmen in der Praxis nur unter engen Voraussetzungen abweichen können.
Hinweis
U.U. empfiehlt es sich, bei der Verhandlung des Unternehmenskaufvertrags auch Regelungen für den Fall zu treffen, dass die Kommission (oder eine andere zuständige Kartellbehörde) Einwände gegen den Zusammenschluss erhebt und z.B. nur eine Freigabe unter Auflagen und/oder Bedingungen in Betracht kommt. Eine detaillierte Regelung dieser Frage wird in aller Regel aber schon daran scheitern, dass sich mögliche Bedenken der Kartellbehörde(n), und dementsprechend der Umfang geeigneter Abhilfemaßnahmen, im Vorfeld nur schwer vorhersehen lassen. Von einer allzu detaillierten vertraglichen Regelung ist auch aus taktischen Gründen abzuraten. Immerhin sind der Kommission im Fusionskontrollverfahren vollständige Kopien aller Verträge vorzulegen. Eine detaillierte Regelung möglicher Abhilfemaßnahmen könnte aus Sicht der Kommission darauf hindeuten, dass die beteiligten Unternehmen selbst ernsthafte fusionskontrollrechtliche Risiken gesehen haben.