Dr. Thilo Klingbeil, Dr. iur. Simon Kohm
1. Primärrecht
Rz. 8
Das EU-Kartellrecht ist primärrechtlich in Art. 101 und 102 AEUV geregelt. Es soll den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarktes vor Verfälschungen schützen. Art. 101 Abs. 1 AEUV enthält ein grundsätzliches Kartellverbot; die Nichtigkeit entgegenstehender Vereinbarungen wird ausdrücklich angeordnet (Art. 101 Abs. 2 AEUV). Die Freistellung hiervon ist nach den Voraussetzungen in Art. 101 Abs. 3 AEUV, ggf. in Verbindung mit dem hierzu erlassenen Sekundärrecht, zu beurteilen. Art. 102 AEUV untersagt die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung. Der originäre Anwendungsbereich des EU-Kartellrechts erstreckt sich nur auf solche Wettbewerbsbeschränkungen, die geeignet sind, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen.
Die Wettbewerbsvorschriften für Unternehmen sind auf alle Arten wirtschaftlicher Betätigung und auf alle Wirtschaftszweige anwendbar, soweit hierfür nicht ausdrücklich Ausnahmen vorgesehen sind (Universalitätsprinzip). Verschiedene Sonderregeln bestehen für den Bereich Verkehr. Auf die Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse und den Handel mit diesen finden die Wettbewerbsregeln nur insoweit Anwendung, als dies vom Rat bestimmt worden ist (Art. 42 AEUV). Die Ratsverordnung Nr. 1184/2006 verfügt die Anwendung bestimmter Wettbewerbsregeln auch für die Landwirtschaft; Ausnahmen bestehen aber im Hinblick auf einzelstaatliche Marktordnungen, Erleichterungen von Erzeugergemeinschaften sowie hoheitliche Eingriffe in die Produktion, die Preisbildung, den Absatz sowie in Ein- und Ausfuhren.
2. Sekundärrecht
Rz. 9
Die maßgebliche sekundärrechtliche Regelung ist die Kartellverordnung Nr. 1/2003. Die Verordnung hat für das Europäische Kartellrecht das Prinzip der Legalausnahme eingeführt. Wettbewerbsbeschränkende Absprachen sind danach unter den Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV ex lege vom Kartellverbot freigestellt; es bedarf keiner Anmeldung und Freistellung durch die Kommission. Mit den enorm praxisrelevanten Gruppenfreistellungsverordnungen (GVO) hat die Kommission Konkretisierungen freigestellter und nicht freistellbarer Vereinbarungen vorgenommen; hier bestehen GVO für vertikale Wettbewerbsbeschränkungen, horizontale Wettbewerbsbeschränkungen und Verordnungen für bestimmte Sektoren, nämlich Versicherungen, Verkehr und Landwirtschaft.
Die Genehmigung von Unternehmenszusammenschlüssen ist formell und materiell in der Fusionskontrollverordnung Nr. 139/2004 geregelt.
Die Kommission hat schließlich in verschiedenen Bekanntmachungen allgemeiner Art, zur Tragweite von Art. 101 Abs. 1 AEUV, zu den Gruppenfreistellungsverordnungen, zur Definition des Marktes und zu bestimmten Arten von Vereinbarungen und zu Sachgebieten ihre Auffassung zur Auslegung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts dargestellt.