1. Primärrecht

 

Rz. 8

Das EU-Kartellrecht ist primärrechtlich[10] in Art. 101 und 102 AEUV geregelt.[11] Es soll den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarktes vor Verfälschungen schützen.[12] Art. 101 Abs. 1 AEUV enthält ein grundsätzliches Kartellverbot; die Nichtigkeit entgegenstehender Vereinbarungen wird ausdrücklich angeordnet (Art. 101 Abs. 2 AEUV). Die Freistellung hiervon ist nach den Voraussetzungen in Art. 101 Abs. 3 AEUV, ggf. in Verbindung mit dem hierzu erlassenen Sekundärrecht, zu beurteilen. Art. 102 AEUV untersagt die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung. Der originäre Anwendungsbereich des EU-Kartellrechts erstreckt sich nur auf solche Wettbewerbsbeschränkungen, die geeignet sind, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen.[13]

Die Wettbewerbsvorschriften für Unternehmen sind auf alle Arten wirtschaftlicher Betätigung und auf alle Wirtschaftszweige anwendbar, soweit hierfür nicht ausdrücklich Ausnahmen vorgesehen sind (Universalitätsprinzip). Verschiedene Sonderregeln bestehen für den Bereich Verkehr. Auf die Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse und den Handel mit diesen finden die Wettbewerbsregeln nur insoweit Anwendung, als dies vom Rat bestimmt worden ist (Art. 42 AEUV). Die Ratsverordnung Nr. 1184/2006[14] verfügt die Anwendung bestimmter Wettbewerbsregeln auch für die Landwirtschaft; Ausnahmen bestehen aber im Hinblick auf einzelstaatliche Marktordnungen, Erleichterungen von Erzeugergemeinschaften sowie hoheitliche Eingriffe in die Produktion, die Preisbildung, den Absatz sowie in Ein- und Ausfuhren.

[10] Die Vorschriften sind abrufbar unter http://ec.europa.eu/competition/index_en.html (teilweise nur in englischer Sprache).
[11] IdF des Vertrages von Lissabon v. 13.12.2007, ABl EG 2007 C 306, 1 ff., in Kraft getreten am 1.12.2009, konsolidierte Fassung ABl EU 2010 C 83, 1 ff, bestehend aus dem Vertrag über die Europäische Union (EUV) und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Die Vorschriften sind bis auf die Ersetzung des Begriffs "Gemeinsamer Markt" durch den Begriff "Binnenmarkt" mit den ursprünglichen Art. 81 und 82 EG-Vertrag identisch.
[12] Protokoll über den Binnenmarkt und den Wettbewerb (Nr. 27), ABl EU 2010 C 83, 309; vgl. Langen/Bunte, Einl. zum EU-Kartellrecht Rn 3 f.; Emmerich, S. 499 ff.
[13] Siehe dazu Bekanntmachung der Kommission, Leitlinien über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels in den Art. 81 und 82 des Vertrags, ABl EG 2004 C 101/81.
[14] Verordnung (EG) Nr. 1184/2006 des Rates v. 24.7.2006 zur Anwendung bestimmter Wettbewerbsregeln auf die Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse und den Handel mit diesen Erzeugnissen, ABl EG 2006 L 214, 7 ff.

2. Sekundärrecht

 

Rz. 9

Die maßgebliche sekundärrechtliche Regelung ist die Kartellverordnung Nr. 1/2003.[15] Die Verordnung hat für das Europäische Kartellrecht das Prinzip der Legalausnahme eingeführt. Wettbewerbsbeschränkende Absprachen sind danach unter den Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV ex lege vom Kartellverbot freigestellt; es bedarf keiner Anmeldung und Freistellung durch die Kommission. Mit den enorm praxisrelevanten Gruppenfreistellungsverordnungen (GVO) hat die Kommission Konkretisierungen freigestellter und nicht freistellbarer Vereinbarungen vorgenommen; hier bestehen GVO für vertikale Wettbewerbsbeschränkungen, horizontale Wettbewerbsbeschränkungen und Verordnungen für bestimmte Sektoren, nämlich Versicherungen, Verkehr und Landwirtschaft.

Die Genehmigung von Unternehmenszusammenschlüssen ist formell und materiell in der Fusionskontrollverordnung Nr. 139/2004[16] geregelt.

Die Kommission hat schließlich in verschiedenen Bekanntmachungen allgemeiner Art, zur Tragweite von Art. 101 Abs. 1 AEUV, zu den Gruppenfreistellungsverordnungen, zur Definition des Marktes und zu bestimmten Arten von Vereinbarungen und zu Sachgebieten ihre Auffassung zur Auslegung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts dargestellt.

[15] Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates v. 16.12.2002 zur Durchführung der in den Art. 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl EG 2003 L 1, 1 ff.
[16] Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates v. 20.1.2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen ("EU-Fusionskontrollverordnung"), ABl EG 2004 L 24, 1 ff.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?