Rz. 120

Kartellsachen i.S.v. § 87 GWB sind Handelssachen (§ 95 Abs. 2 GVG); soweit deshalb an dem zuständigen Landgericht eine Kammer für Handelssachen besteht, tritt diese an die Stelle der Zivilkammer (§ 94 GVG). Da sich die ausschließliche kartellrechtliche Zuständigkeit nicht auf den Spruchkörper bezieht, gelangt die Sache nur dann an die KfH, wenn dies in der Klageschrift beantragt wird (§ 96 GVG) oder der Beklagte die Verweisung beantragt (§ 98 Abs. 1 GVG).
Es besteht Anwaltszwang (§ 78 ZPO).

Zur Begründung:

Zu II 2: Der Anspruch auf Beweismittel und Auskunft wird zweckmäßigerweise mit der Zahlungsklage verbunden, wenn der Kläger sichergehen kann, dass er nach der Auskunft einen Schadensersatzanspruch beziffern kann. Der Offenlegungsanspruch kann auch isoliert geltend gemacht werden. Die prozessualen Voraussetzungen einschließlich eines Anspruchs im Verfügungsverfahren, Geheimhaltungsregelungen, die Offenlegung aus Behördenakten und der Umgang mit Kronzeugenerklärungen und Vergleichsausführungen sind in §§ 89b89d GWB geregelt.
Zu II.3.b): § 33a GWB bestimmt im Gegensatz zum Bußgeldrecht (§ 81 Abs. 3a GWB) keine Konzernhaftung im Kartelldeliktsrecht. Es muss also für den in Anspruch genommenen Schädiger positiv festgestellt werden, dass diesem die schadensbegründende Handlung zuzurechnen ist.
Zu II.3.c): Die 5-jähige Verjährung beginnt erst, wenn der Kartellverstoß beendet ist (§ 33h Abs. 2 Nr. 3 GWB). Die Hemmungswirkung endet ein Jahr nach der rechtskräftigen Entscheidung der Behörde oder einer anderweitigen Beendigung der Untersuchung (§ 33h Abs. 6 GWB), so dass die Verjährung danach weiterläuft (§ 209 BGB). Nach der Übergangsregelung in § 186 Abs. 3 GWB gilt auch für Altansprüche die neue 5-jährige Verjährungsfrist, wobei aber der Beginn, die Hemmung, die Ablaufhemmung und der Neubeginn der Verjährung nach den bisherigen Vorschriften zu berechnen ist.

Zu II.3.d): Der hypothetische Marktpreis ist der Preis, der sich bei funktionierendem Wettbewerb ergeben hätte. Sind die Preise nach Beendigung des Kartells entsprechend gesunken, kann dieser neue Preis auf die Vergangenheit projiziert werden. Zur Berechnung kann auch auf in- und ggf. ausländische Vergleichsmärkte abgestellt werden. Das Gericht kann eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO vornehmen; dazu ist insbesondere der anteilige Kartellgewinn des Verletzers zu berücksichtigen (§ 33a Abs. 3 S. 2 GWB). Der Gewinn errechnet sich aus den Umsatzerlösen abzüglich der auf die Herstellung des fraglichen Produkts bezogenen Herstellungs- und Betriebskosten; sonstige Gemeinkosten und betriebliche Aufwendungen sind nicht abzugsfähig.

Dem Betroffenen steht eine Verzinsung ab Schadenseintritt zu (§ 33a Abs. 4 GWB). Bei Sukzessivlieferungen ist für den Schadenseintritt und damit für den Beginn der Verzinsung der Zeitpunkt der jeweiligen Einzelzahlung maßgeblich.

Zu II.3.e): Nach § 33c Abs. 1 S. 2 GWB sind die Grundsätze der Vorteilsanrechnung maßgeblich, wie sie zu § 823 ff. BGB entwickelt wurden. Danach muss der Geschädigte nur dann Abzüge hinnehmen, wenn zwischen schädigendem Ereignis und dem Vorteil, den der Geschädigte im Rahmen des Weiterverkaufs durch einen höheren Preis erzielt hat, ein adäquater Kausalzusammenhang besteht; es muss also nach dem gewöhnlichen Verlauf davon auszugehen sein, dass der überhöhte Kartellpreis tatsächlich weitergegeben worden ist. Die Vorteilsanrechnung soll nicht dazu führen, dass der Kartellant unbillig entlastet wird. Ansonsten haftet der Kartellant auch dem mittelbaren Abnehmer, wenn der Schaden erst dort entstanden ist (vgl. § 33c Abs. 2 GWB). Es sollte daher stets eine Streitverkündung in Betracht gezogen werden, um eine überschießende Inanspruchnahme durch mittelbaren und unmittelbaren Abnehmer zu verhindern (vgl. Bechtold/Bosch, GWB § 33c Rn 6).

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