Dr. Thilo Klingbeil, Dr. iur. Simon Kohm
1. Typischer Sachverhalt
Rz. 98
Die A-GmbH hat über ihre Einkäufer konkrete Anhaltspunkte dafür erhalten, dass ihre Lieferanten X-AG und Y-GmbH Abreden über eine Aufteilung der europäischen Märkte getroffen haben. Während die Y-GmbH keine Lieferangebote mehr unterbreitet, hat die X-AG Preiserhöhungen angekündigt.
2. Rechtliche Grundlagen
Rz. 99
Eine Information der Kommission über vermutete Verstöße gegen Wettbewerbsregeln nach Art. 101 oder 102 AEUV kann über eine formlose Eingabe erfolgen, um Ermittlungen von Amts wegen anzustoßen, oder durch die Einlegung einer förmlichen Beschwerde gem. Art. 7 Abs. 2 VO 1/2003. Beschwerdebefugt sind natürliche und juristische Personen sowie die Mitgliedstaaten (Art. 7 Abs. 2 VO 1/2003). Die Beschwerde muss den Anforderungen nach Formblatt C der VO 773/2004 genügen. Näheres ergibt sich aus der dazu ergangenen Bekanntmachung.
Beschwerdeführer müssen ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Zustands darlegen (Art. 7 Abs. 2 VO 1/2003, Art. 5 Abs. 1 S. 1 VO 773/2004); das ist gegeben, wenn der Beschwerdeführer durch die mutmaßliche Zuwiderhandlung unmittelbar in seinen Interessen verletzt wird. Unternehmensverbände können die berechtigten Interessen ihrer Mitglieder vertreten.
Die Kommission hat ein Aufgreif- und Verfolgungsermessen und entscheidet u.a. danach, ob ein Gemeinschaftsinteresse an einer Verfolgung des Falles besteht. Will die Kommission die Beschwerde nicht verfolgen, weist sie diese nach Anhörung des Beschwerdeführers, der dazu die Unterlagen mit Ausnahme von Geschäftsgeheimnissen einsehen kann, durch Entscheidung ab (Art. 7 und 8 Abs. 1 VO 773/2004). Dagegen kann der Beschwerdeführer Klage zum Gericht erheben.
Hält die Kommission einen Kartellverstoß für gegeben, sendet sie an die betroffenen Unternehmen die Beschwerdepunkte (Art. 10 VO 773/2004); der Beschwerdeführer erhält eine Kopie der nichtvertraulichen Teile. Kommt es zum Verfahren über die Beschwerde, kann sich der Beschwerdeführer äußern, wenn er dies zuvor beantragt hat (Art. 6 Abs. 2 VO 773/2004).
3. Muster: Beschwerde gem. Art. 7 VO 1/2003
Rz. 100
Muster 26.8: Beschwerde gem. Art. 7 VO 1/2003
Muster 26.8: Beschwerde gem. Art. 7 VO 1/2003
Europäische Kommission
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Beschwerde gem. Art. 7 VO 1/2003
Namens der A-GmbH zeigen wir unter Beifügung einer auf uns lautenden Vollmacht an, dass konkrete Anhaltspunkte für eine Vereinbarung zwischen der X-AG und der Y-GmbH bestehen, mit der die europäischen Märkte aufgeteilt worden sind, um den Preiswettbewerb auszuschalten.
I. Angaben zur Beschwerdeführerin und zu den Unternehmen, gegen die sich die Beschwerde richtet
1. |
Die A-GmbH als Beschwerdeführerin hat ihren Sitz in _____. Sie produziert und vertreibt _____ mit einem Jahresumsatz von _____. Die A-GmbH ist Abnehmer sowohl der X-AG als auch der Y-GmbH. Sie bezieht folgende Produkte von beiden Unternehmen: _____. |
2. |
Die X-AG mit Sitz in _____ stellt _____ her und ist gemeinschaftsweit tätig. Beigefügt sind ein Handelsregisterauszug _____, der Geschäftsbericht _____ sowie ein Artikel aus der Zeitung _____. |
3. |
Die Y-GmbH hat ihren Sitz in _____. Sie produziert und vertreibt die Produkte _____. Beigefügt sind ein Handelsregisterauszug _____, der Geschäftsbericht der Y-GmbH _____ und _____. |
II. Angaben zur Zuwiderhandlung und Beweismittel
1. |
Die Y-GmbH hat ihre langjährige Belieferung der A-GmbH unvermutet eingestellt. Ein bei der Y-GmbH entlassener Verkäufer hat einem Einkäufer der A-GmbH berichtet, dass die Y-GmbH dies nach einer vertraulichen Abrede mit der X-AG vorgenommen und dafür von der X-AG andere Käufer exklusiv erhalten hat. _____ |
2. |
Zum Beweis über die Nichtbelieferung fügen wir folgende Unterlagen bei: _____. Die nachfolgend genannten Personen können den Sachverhalt bezeugen: _____. Aufschluss über die relevante Marktentwicklung geben die beigefügten Statistiken _____. |
3. |
In räumlicher Hinsicht betrifft die Vereinbarung das Gebiet folgender Mitgliedstaaten: _____. Die Markt- und Kundenaufteilung beeinträchtigt den gemeinschaftlichen Handel, weil _____. |
III. Ziel der Beschwerde und berechtigtes Interesse
1. |
Ziel der Beschwerde ist die Beendigung der gegen Art. 101 AEUV verstoßenden Marktaufteilungsabrede _____. Es spricht nichts dafür, dass die Y-GmbH sich aufgrund autonomer, vom Marktgeschehen bestimmter Gründe aus dem an sich lukrativen Verkaufsmarkt zurückgezogen hat. _____ |
2. |
Das berechtigte Interesse der A-GmbH ergibt sich daraus, dass der Wegfall der Y-Gmb... |