Rz. 178

Der Maßstab für die materielle Prüfung eines Zusammenschlussvorhabens in der EU-Fusionskontrolle ergibt sich aus Art. 2 Abs. 2 und Abs. 3 FKVO.

Nach Art. 2 Abs. 2 FKVO ist ein Zusammenschluss freizugeben ("für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar zu erklären"), wenn durch ihn "wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil desselben nicht erheblich behindert würde, insb. durch Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung."

Andernfalls ist der Zusammenschluss gem. Art. 2 Abs. 3 FKVO zu untersagen.

 

Rz. 179

Der in der Praxis wichtigste Grund für eine Untersagung ist die Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung durch den Zusammenschluss.

Die Beurteilung, ob die Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung zu befürchten ist, setzt i.d.R. eine eingehende Untersuchung und Bewertung der Marktverhältnisse voraus. Zu diesem Zweck müssen insb. die relevanten Märkte bestimmt werden, auf die der Zusammenschluss Auswirkungen haben könnte. Wichtige Hinweise für die Abgrenzung der relevanten Märkte gibt die Kommission in ihrer Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes aus dem Jahr 1997.[242]

 

Rz. 180

Ein Zusammenschluss kann insb. dann zur Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung führen, wenn die beteiligten Unternehmen als Wettbewerber auf den gleichen Märkten tätig sind und der Zusammenschluss zu Marktanteilsadditionen führen würde ("horizontale Zusammenschlüsse"). Die Kommission hat Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse veröffentlicht, in denen sie wertvolle Hinweise für die voraussichtliche Bewertung derartiger Zusammenschlüsse gibt.[243]

Ein wichtiges Indiz für eine marktbeherrschende Stellung ist ein hoher Marktanteil. Als "Faustregel" kann gelten, dass ein Zusammenschluss zwischen Wettbewerbern, der zu einem gemeinsamen Marktanteil von unter 40 % führt, normalerweise unproblematisch ist. Ein gemeinsamer Marktanteil von mehr als 50 % wird dagegen im Regelfall problematisch sein. Dabei handelt es sich allerdings nur um grobe Richtwerte. Es ist durchaus denkbar, dass schon ein gemeinsamer Marktanteil von nur 20 % oder weniger für die Annahme einer marktbeherrschenden Stellung ausreicht, z.B. bei zersplitterten Märkten, in denen die Marktanteile der nächst größeren Wettbewerber deutlich niedriger liegen, oder auf oligopolistischen Märkten, in denen mehrere Anbieter den Markt gemeinsam beherrschen. Umgekehrt kann auch ein gemeinsamer Marktanteil von über 50 % im Einzelfall unproblematisch sein, wenn z.B. die Kunden über eine besonders große Nachfragemacht verfügen und deswegen selbst ein hoher Marktanteil keine Marktmacht vermittelt.

 

Rz. 181

Nicht nur horizontale Zusammenschlüsse zwischen Wettbewerbern können zur Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung führen. Auch Zusammenschlüsse, die z.B. die vertikale Integration der Zusammenschlussbeteiligten erhöhen ("vertikale Effekte") oder andere, z.B. "konglomerate Effekte" haben, können eine Untersagung rechtfertigen. Hinweise für eine Bewertung derartiger Zusammenschlüsse durch die Kommission finden sich in ihren Leitlinien zur Bewertung nichthorizontaler Zusammenschlüsse aus dem Jahr 2008.[244]

[242] ABl EU 1997 C 372/5.
[243] ABl EU 2004 C 31/5.
[244] ABl EU 2008 C 265/6.

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