Rz. 153
Die Rechtskraft (§ 322 ZPO) eines Feststellungsurteils, in dem die Schadensersatzpflicht des in Anspruch genommenen Schädigers festgestellt worden ist, führt dazu, dass Einwendungen, die sich auf Tatsachen stützen, welche schon zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergangen ist, vorgelegen haben, im nachfolgenden Prozess über eine Leistungsklage nicht mehr berücksichtigt werden dürfen, soweit sie das Bestehen des festgestellten Anspruchs betreffen. Auf ein Mitverschulden gestützte Einwendungen, die die haftungsbegründende Kausalität und damit den Grund des geltend gemachten Anspruchs betreffen, müssen folglich bereits im Feststellungsverfahren vorgebracht und geprüft werden, denn die Rechtskraft des Feststellungsurteils erstreckt sich auf sie, sofern sie sich auf Tatsachen stützen, die schon zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorgelegen haben; darauf, wie eingehend die der rechtskräftigen Feststellung zugrunde liegende rechtliche Prüfung erfolgt und ob diese Entscheidung ergangen ist, ohne dass die Rechtsfrage umfassend erörtert worden ist, kommt es nicht an, die materielle Rechtskraft des Feststellungsurteils tritt vielmehr unabhängig davon ein, ob das Gericht alle einschlägigen Aspekte gesehen und zutreffend gewürdigt hat. Auch die Rechtskraft (siehe auch § 25 Rdn 145 ff.) der Feststellung der Pflicht zum Schadensersatz beschränkt sich aber nach § 322 Abs. 1 ZPO auf die im Tenor ausgesprochene Rechtsfolge und erstreckt sich nicht auf die Feststellung zugrunde liegender präjudizieller Rechtsverhältnisse und sonstiger Vorfragen, aus denen der Richter den Schluss auf das Bestehen oder Nichtbestehen der von der Klagepartei beanspruchten Rechtsfolge zieht.
Rz. 154
Sofern es im Prozess über die spätere Leistungsklage jedoch nicht um die grundsätzliche Verpflichtung des Schädigers zum Ersatz des materiellen Schadens – zur Rechtskraftwirkung bei Feststellungsurteilen über immaterielle Schäden – des Geschädigten aus dem Unfall geht, sondern um die haftungsausfüllende Kausalität, also den Umfang und Höhe des materiellen Unfallschadens, beispielsweise ob und in welcher Höhe für einen bestimmten Zeitraum ein Verdienstausfallschaden eingetreten ist, wird dies von der Rechtskraft des vorangegangenen Feststellungsurteils nicht erfasst. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn im Vorprozess nicht nur die Haftung des Schädigers festgestellt, sondern dieser daneben auch bereits für einen anderen als im Folgeprozess streitgegenständlichen Zeitraum hinsichtlich des Verdienstausfalls verurteilt wurde. Der Schädiger kann daher beispielsweise durch den Einwand, der Unfall sei für die Erwerbsunfähigkeit des Geschädigten und dementsprechend für dessen Verdienstausfall nicht kausal gewesen, im Folgeprozess die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der unfallbedingten Verletzung und einem vom Geschädigten behaupteten (vermögensmäßigen) Folgeschaden noch bestreiten. Die Rechtskraft eines Feststellungsurteils erstreckt sich allerdings auch – und insoweit – auf die haftungsausfüllende Kausalität, wenn bereits im Feststellungsverfahren einzelne Schadenspositionen in den Antrag aufgenommen oder jedenfalls zur Sprache gebracht worden sind; hinsichtlich dieser Schadenspositionen ist der Schädiger mit einem darauf bezogenen Mitverschuldenseinwand im Betragsverfahren ausgeschlossen.
Rz. 155
Die rechtskräftige Abweisung einer auf Feststellung eines Anspruchs gerichteten Klage stellt grundsätzlich das Nichtbestehen des Anspruchs fest. Im Verhältnis zu einer nachfolgenden Leistungsklage bedeutet dies, dass die Abweisung einer auf Feststellung einer Forderung erhobenen Klage in der Sache insoweit Rechtskraft für eine später auf dieselbe Forderung gestützte Leistungsklage schafft, als das mit ihr erstrebte Prozessziel unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt mehr aus demselben Lebenssachverhalt hergeleitet werden kann, der der Feststellungsklage zugrunde gelegen hat. Die Leistungsklage über denselben Streitgegenstand ist daher unzulässig (§ 322 ZPO).
Rz. 156
Diese Grundsätze erfahren jedoch eine Einschränkung in zeitlicher Hinsicht. Die Entscheidung des Gerichts stellt die Rechtslage im Regelfall nur für den Zeitpunkt zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung fest. Die Rechtskraft des abweisenden Feststellungsurteils hindert daher nicht daran, sich zur Begründung einer neuen Klage auf Tatsachen zu berufen, die erst nach diesem Zeitpunkt entstanden sind. Es kann insbesondere geltend gemacht werden, der in dem Vorprozess als nach dem damaligen Sachstand nicht begründet abgewiesene Anspruch sei inzwischen begründet geworden. Ausnahmen hiervon gelten, soweit die Abweisung auf einer Prognose zukünftiger Entwicklungen beruht; dies ist insbesondere bei immateriellen Schäden der Fall (siehe oben Rdn 146).