I. Allgemeines
Rz. 69
Ziel der Feststellungsklage ist nicht ein zur unmittelbaren Leistung und Befriedigung führendes, vollstreckbares Urteil, sondern lediglich – soweit vorliegend von Interesse – die gerichtliche Entscheidung, dass ein bestimmtes Rechtsverhältnis besteht oder nicht besteht (§ 256 Abs. 1 ZPO). Ein solches Urteil beschränkt sich folglich auf die begehrte rechtsbezeugende und rechtskraftfähige Feststellung und enthält in der Hauptsache keinen durchsetzbaren Leistungsbefehl; Bindungswirkung für die Parteien erlangt die Feststellung erst mit Rechtskraft des Feststellungsurteils. Feststellungsklagen und daraufhin ergehende Urteile dienen dem Rechtsfrieden, der Rechtssicherheit und Prozesswirtschaftlichkeit. (Erst) Nach Eintritt der Rechtskraft des Feststellungsurteils richtet sich das Rechtsverhältnis der Parteien nach dem Inhalt der getroffenen Feststellung, ohne dass eine der Parteien geltend machen könnte, die Feststellung sei inhaltlich unrichtig getroffen.
Rz. 70
Je nach dem konkreten Feststellungsbegehren des Klägers sind folgende – kombinierbare – Arten zu unterscheiden: positive (behauptende, § 256 Abs. 1 Var. 1 ZPO) und negative (leugnende, § 256 Abs. 1 Var. 2 ZPO, siehe unten Rdn 167 ff.) sowie selbstständige (§ 256 Abs. 1 ZPO) und Zwischenfeststellungsklage (§ 256 Abs. 2 ZPO, siehe unten Rdn 191 ff.).
Rz. 71
Für die Zulässigkeit einer selbstständigen Feststellungsklage müssen neben den allgemeinen (siehe oben § 25 Rdn 4) noch besondere Prozessvoraussetzungen vorliegen, nämlich dass das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses den Streitgegenstand der Klage bildet und der Kläger ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung hat (Feststellungsinteresse, § 256 Abs. 1 ZPO). Bei der Zwischenfeststellungsklage tritt an die Stelle des Feststellungsinteresses die Vorgreiflichkeit des – bereits – streitigen Rechtsverhältnisses für die Entscheidung des Rechtsstreits (§ 256 Abs. 2 ZPO).
Rz. 72
Die Zulässigkeit der Feststellungsklage wird – in jeder Instanz – von Amts wegen geprüft; dies gilt sogar im Falle eines Anerkenntnisses des geltend gemachten Anspruchs (§ 307 ZPO).
II. Gegenwärtiges Rechtsverhältnis
1. Rechtsverhältnis
Rz. 73
Unter einem Rechtsverhältnis ist eine bestimmte, rechtlich geregelte Beziehung einer Person zu anderen Personen oder zu einer Sache zu verstehen. Die Feststellungsklage muss sich nicht notwendigerweise auf das Rechtsverhältnis im Ganzen beziehen, sondern kann auch einzelne Beziehungen – wie das (Nicht-)Vorliegen einzelner Anspruchsgrundlagen – und Folgen daraus – wie einzelne Rechte (Ansprüche) und Pflichten – betreffen, beispielsweise der für die unfallbedingte Anschaffung eines gleichwertigen Neufahrzeugs für das erheblich beschädigte fabrikneue Unfallfahrzeug erforderliche Geldbetrag (siehe dazu § 41 Rdn 70 ff.).
Zur erforderlichen Bestimmtheit des Feststellungsantrags siehe unten Rdn 206 ff.
Rz. 74
Das festzustellende Rechtsverhältnis kann materiell-rechtlicher oder prozessrechtlicher Natur sein.
Beispiele sind:
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(materiell-rechtlich) Bestehen oder Nichtbestehen einer Haftung des Beklagten für ein Schadensereignis, |
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Begehung einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung als Haftungsgrund, |
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Feststellung des Inhalts einer Verpflichtung, |
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auch der Fälligkeit einer Leistung (siehe aber auch Rdn 112), |
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Pflicht zur Gewährung von Versicherungsschutz, |
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Eigentum, |
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Leistungsverweigerungsrecht wegen Verjährung, |
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Berechtigung zur Aufrechnung, |
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(Nicht-)Bestehen einer Einrede sowie |
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(prozessrechtlich) Reichweite eines Vollstreckungstitels und |
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– im Wege der Zwischenfeststellungsklage – die Wirksamkeit eines Gesamtvergleichs. |
Rz. 75
Einen Leistungsanspruch muss das festzustellende Rechtsverhältnis nicht begründen oder vorbereiten. Ein Sozialversicherungsträger kann gegen den Haftpflichtversicherer auf Feststellung klagen, dass dieser sich verpflichtet habe, sich nicht auf seine Leistungsfreiheit wegen Gefahrerhöhung zu berufen. Grundsätzlich kann der Schuldner einer Forderung auch ein Interesse an der Feststellung haben, dass er diese mangels Fälligkeit derzeit nicht erfüllen muss; dies setzt jedoch voraus, dass er die geforderte Leistung noch nicht erbracht hat, da ansonsten bereicherungsrechtliche Ansprüche ausscheiden (§ 813 Abs. 2 BGB).
Rz. 76
Kein Rechtsverhältnis liegt vor, wenn ...