Rz. 258
Eine Abänderungsklage kann bei Urteilen (siehe oben Rdn 227 ff.) nur auf Gründe gestützt werden, die nach Schluss der mündlichen Tatsachenverhandlung des vorausgegangenen Verfahrens entstanden sind und deren Geltendmachung – bei der Abänderungsklage gegen ein Versäumnisurteil oder einen Vollstreckungsbescheid – durch Einspruch nicht möglich ist oder war. Es muss sich also um "nachträgliche" Veränderungen handeln (§ 323 Abs. 2 ZPO, sog. Präklusion). Wurde im schriftlichen Verfahren entschieden, ist der Zeitpunkt maßgeblich, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden konnten (§ 128 Abs. 2 S. 2 ZPO). Die Verhandlung in der Berufungsinstanz ist nur dann maßgeblich, wenn das Berufungsgericht in der Sache entscheidet, nicht hingegen, wenn die Berufung – vor oder nach mündlicher Verhandlung – zurückgenommen wird; durch eine Berufungsrücknahme wird vielmehr der Schluss der mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz wieder zum maßgebenden Zeitpunkt.
Zum Verhältnis von Präklusion und Rechtsmitteln siehe unten Rdn 293 ff.
Rz. 259
Bei mehrfacher Abänderung ist grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten Tatsachenverhandlung für das zuletzt vorausgegangene Abänderungsurteil abzustellen. Auf die Parteistellung oder Zielrichtung des Vorprozesses kommt es dabei nicht an, weil das Gesetz nicht (mehr) auf die Erweiterung des Klageantrags oder die Geltendmachung von Einwendungen, sondern nur (noch) auf die Abänderungsgründe insgesamt abstellt, und damit beide Parteien dazu anhält, ihren Standpunkt bereits im Ausgangsprozess zur Geltung zu bringen. Etwas anderes kann gelten, sofern in früheren Verfahren festgestellte Umstände durch das letzte Abänderungsurteil nicht berührt wurden.
Rz. 260
Maßgebend ist allein der Zeitpunkt der Entstehung des Abänderungsgrunds, eine erst später erlangte Kenntnis des Abänderungsklägers hilft diesem nicht weiter.
Rz. 261
Ob zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung, auf die die abzuändernde Entscheidung erging, zwar noch nicht eingetretene, aber zuverlässig voraussehbare Umstände im nachfolgenden Abänderungsverfahren präkludiert sind, hängt davon ab, ob sie in die angegriffene Prognose eingeflossen sind oder nicht. Auf im Vorprozess zwar voraussehbare, aber bei der Prognose in der abzuändernden Entscheidung nicht berücksichtigte Umstände kann die Abänderungsklage daher gestützt werden. Darüber hinaus können vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung im Ausgangsverfahren entstandene, vom Gericht aber übersehene Tatsachen in einem aus anderen Gründen eröffneten Abänderungsverfahren berücksichtigt werden, sofern sie im Ausgangsverfahren – wovon regelmäßig auszugehen ist – nicht entscheidungserheblich waren ("Annexkorrektur").
Rz. 262
Die Präklusion gilt – im ersten Abänderungsverfahren nach der Leistungsklage – nur für den Abänderungskläger. Sie steht der Berücksichtigung von Umständen, die die beklagte Partei schon im Vorprozess hätte vorbringen können, hier nicht entgegen.
Rz. 263
Bei mehreren aufeinanderfolgenden Abänderungsprozessen ist für die Präklusion grundsätzlich auf den Schluss der mündlichen Tatsachenverhandlung des letzten Verfahrens abzustellen (§ 323 Abs. 2 ZPO; siehe oben Rdn 259). Inwieweit auch der dortige Gegner (Beklagte) mit damals bereits bestehenden Tatsachen in dem nachfolgenden Abänderungsverfahren ausgeschlossen ist, hängt – nunmehr – vom Inhalt der Entscheidung im Ausgangsverfahren ab: Wurde die dort begehrte Abänderung vollständig abgewiesen, kann der dortige Beklagte seinerseits eine neue Abänderungsklage auch auf Tatsachen stützen, die bereits zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Ausgangsverfahren bestanden. Denn mangels (Widerklage-)Antrags des Beklagten im Ausgangsverfahren wurde über den Streitgegenstand der von diesem nachfolgend erhobenen Abänderungsklage noch nicht entschieden; seine vorherige abweichende Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich aufgegeben. Hatte die im Ausgangsverfahren begehrte Abänderung dagegen ganz oder teilweise Erfolg, kann der dortige Beklagte mit einer nachfolgenden eigenen Abänderungsklage keine Abänderung zu seinen Gunsten aufgrund bereits zum Schluss der damaligen mündlichen Verhandlung bestehender Tatsachen begehren. Dem steht vielmehr die rechtskräftige Entscheidung im Ausgangsverfahren entgegen, da es sich bei der nunmehr vom damaligen Beklagten begehrten Abänderung um das kontradiktorische Gegenteil der früheren Entscheidung handeln würde. Erstrebt der Gegner einer Abänderungsklage seinerseits eine Anpassung, so muss er im letztgenannten Fall folglich, um der Präklusion zu entgehen, weiterhin seine Abänderungsgründe im Wege einer Abänderungswiderklage geltend machen; dazu ist ihm folglich regelmäßig mangels hinreichend sicherer Prognose über den Verfahrensausgang schon aus anwaltlicher Vorsicht zu raten. Die Präklusion unterliegt nicht der Parteidisposition, weshalb auch ein Vorbehalt im vorangegangenen Ab...