Rz. 178
Soweit vom Verletzten bereits Leistungsklage oder positive Feststellungsklage erhoben worden ist, bleibt für eine negative Feststellungsklage des Schädigers wegen anderweitiger Rechtshängigkeit (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) kein Raum mehr: Der Streitgegenstand der Leistungsklage umfasst auch den der späteren negativen Feststellungsklage, da der Antrag auf Verurteilung zur Leistung zugleich den engeren Feststellungsantrag enthält, dass der Anspruch besteht (siehe oben Rdn 1). Dieser Vorrang lässt sich auch darauf stützen, dass für die Fälle, in denen der umstrittene Anspruch besteht, das Rechtsschutzziel der Leistungsklage – Erlangung eines vollstreckungsfähigen Titels – im Feststellungsverfahren nicht erreicht werden kann und nur die Erhebung der Leistungs- oder positiven Feststellungsklage die Unterbrechung der Verjährung bewirkt. Die anderweitige Rechtshängigkeit besteht aber nur im Umfang des Streitgegenstands der Leistungs- oder positiven Feststellungsklage. Handelt es sich dabei nur um Teilklagen, kommt für den überschießenden Teil, dessen sich der Kläger berühmt, eine negative Feststellungsklage in Betracht (siehe oben Rdn 43).
Rz. 179
Umgekehrt begründet eine negative Feststellungsklage aber keine Rechtshängigkeitssperre für eine später erhobene Leistungsklage: Denn der Leistungsanspruch geht über das Ziel einer bloßen Feststellung des streitigen Rechtsverhältnisses hinaus, weil auch die eine Durchsetzung des Anspruchs ermöglichende Verurteilung zur Zahlung verlangt wird. Vielmehr entfällt das rechtliche Interesse an alsbaldiger Feststellung des Nichtbestehens des Anspruchs, wenn eine auf die Durchsetzung desselben Anspruchs gerichtete Leistungsklage erhoben wird und diese einseitig nicht mehr zurückgenommen werden kann (§ 269 Abs. 1 ZPO): Dann hat der Anspruchsgegner die Sicherheit, dass eine Entscheidung über die von ihm begehrte Feststellung nunmehr im Rahmen der Leistungsklage erfolgen oder doch nicht gegen seinen Willen unterbleiben wird (§ 269 Abs. 1 ZPO). Dies gilt aber ebenfalls nur bei gleichem Streitgegenstand der beiden Klagen.
Rz. 180
Das Feststellungsinteresse entfällt trotz des gleichen Streitgegenstandes der Klagen nicht, wenn die Feststellungsklage im Gegensatz zur später erhobenen Leistungsklage bereits entscheidungsreif ist oder wenn die in der Berufungsinstanz erhobene Widerklage auf Leistung unzulässig ist (§ 533 ZPO). Ersteres gilt im Umfang der Überdeckung des Streitgegenstandes auch dann, wenn mit der Leistungsklage nur ein Teil der von der Feststellungsklage erfassten Ansprüche geltend gemacht wird. Ebenso bleibt ein Interesse an der begehrten Feststellung bestehen, wenn der Feststellungskläger trotz Anhängigkeit einer einseitig nicht mehr zurücknehmbaren Leistungsklage nicht davon ausgehen kann, dass über das Bestehen der Ansprüche, deren sich der Feststellungsbeklagte berühmt, im Rahmen des Verfahrens über die Leistungsklage entschieden wird. Dies gilt insbesondere soweit im Rahmen von Kompetenzkonflikten europäischer Gerichte – unabhängig vom Vorrang der Leistungsklage – der "Prioritätsgrundsatz" gilt.
Rz. 181
Da eine negative Feststellungsklage anders als eine positive (siehe oben Rdn 157 ff.) keine Hemmung der Verjährung herbeiführt (siehe oben § 21 Rdn 86), steht die negative Feststellungsklage der späteren Erhebung einer positiven Feststellungsklage nicht entgegen. Darüber hinaus hat nur eine negative Feststellungsklage, die sich gegen einen bestimmten, genau bezifferten Anspruch richtet, bei ihrer Abweisung dieselbe Rechtskraftwirlcung wie ein Urteil, das das Gegenteil dessen, was mit der negativen Feststellungsklage begehrt wurde, positiv feststellt. Richtet sich die negative Feststellungsklage dagegen nicht gegen einen bestimmten, genau bezifferten Anspruch, bedeutet ihre Abweisung nichts anderes als die positive Feststellung, dass ein Anspruch dem Grunde nach besteht, der Höhe nach allerdings, da er noch nicht endgültig beziffert wurde, noch der Prüfung bedarf (siehe unten Rdn 186). In diesem Fall ist eine spätere weitergehende positive Feststellungsklage bezüglich eines bestimmten Anspruchs zulässig. Deren – nicht mehr ohne Zustimmung der anderen Partei zurücknehmbare (§ 269 Abs. 1 ZPO) – Erhebung führt allerdings wie die spätere Erhebung einer Leistungsklage zum Wegfall des Feststellungsinteresses für die negative Feststellungsklage (siehe oben Rdn 179).
Rz. 182
Entfällt das Feststellungsinteresse in den vorstehend genannten Fällen nachträglich, so muss der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklären.