1. Rechtsverhältnis
Rz. 73
Unter einem Rechtsverhältnis ist eine bestimmte, rechtlich geregelte Beziehung einer Person zu anderen Personen oder zu einer Sache zu verstehen. Die Feststellungsklage muss sich nicht notwendigerweise auf das Rechtsverhältnis im Ganzen beziehen, sondern kann auch einzelne Beziehungen – wie das (Nicht-)Vorliegen einzelner Anspruchsgrundlagen – und Folgen daraus – wie einzelne Rechte (Ansprüche) und Pflichten – betreffen, beispielsweise der für die unfallbedingte Anschaffung eines gleichwertigen Neufahrzeugs für das erheblich beschädigte fabrikneue Unfallfahrzeug erforderliche Geldbetrag (siehe dazu § 41 Rdn 70 ff.).
Zur erforderlichen Bestimmtheit des Feststellungsantrags siehe unten Rdn 206 ff.
Rz. 74
Das festzustellende Rechtsverhältnis kann materiell-rechtlicher oder prozessrechtlicher Natur sein.
Beispiele sind:
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(materiell-rechtlich) Bestehen oder Nichtbestehen einer Haftung des Beklagten für ein Schadensereignis, |
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Begehung einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung als Haftungsgrund, |
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Feststellung des Inhalts einer Verpflichtung, |
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auch der Fälligkeit einer Leistung (siehe aber auch Rdn 112), |
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Pflicht zur Gewährung von Versicherungsschutz, |
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Eigentum, |
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Leistungsverweigerungsrecht wegen Verjährung, |
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Berechtigung zur Aufrechnung, |
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(Nicht-)Bestehen einer Einrede sowie |
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(prozessrechtlich) Reichweite eines Vollstreckungstitels und |
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– im Wege der Zwischenfeststellungsklage – die Wirksamkeit eines Gesamtvergleichs. |
Rz. 75
Einen Leistungsanspruch muss das festzustellende Rechtsverhältnis nicht begründen oder vorbereiten. Ein Sozialversicherungsträger kann gegen den Haftpflichtversicherer auf Feststellung klagen, dass dieser sich verpflichtet habe, sich nicht auf seine Leistungsfreiheit wegen Gefahrerhöhung zu berufen. Grundsätzlich kann der Schuldner einer Forderung auch ein Interesse an der Feststellung haben, dass er diese mangels Fälligkeit derzeit nicht erfüllen muss; dies setzt jedoch voraus, dass er die geforderte Leistung noch nicht erbracht hat, da ansonsten bereicherungsrechtliche Ansprüche ausscheiden (§ 813 Abs. 2 BGB).
Rz. 76
Kein Rechtsverhältnis liegt vor, wenn Gegenstand der begehrten Feststellung nur die Beantwortung einer abstrakten Rechtsfrage ist, die einen in seinen tatsächlichen und rechtlichen Auswirkungen noch nicht übersehbaren Sachverhalt betrifft und erst für ein künftiges Rechtsverhältnis Bedeutung hat. Ebenfalls nicht über das Bestehen eines Rechtsverhältnisses ist zu entscheiden, wo es lediglich um einzelne rechtserhebliche Vorfragen – beispielsweise die Auslegung einer Ausschlussklausel in Allgemeinen Versicherungsbedingungen oder die Wirksamkeit einer Subsidiaritätsklausel bei einer Mehrfachversicherung – oder Elemente eines Rechtsverhältnisses oder bloße Berechnungsgrundlagen geht.
Rz. 77
Letzteres ist der Fall, wenn für die eventuelle spätere Geltendmachung eines Unterhaltsschadens (§ 844 Abs. 2 BGB) vorab festgestellt werden soll, welche berufliche Stellung und welches Arbeitseinkommen bei der Beurteilung der fiktiven Leistungsfähigkeit des Verstorbenen heranzuziehen ist. Ebenso können nicht einzelne für die Ermittlung eines billigen und angemessenen Ausgleichs erlittener Nachteile maßgebliche Umstände festgestellt werden. Annahme- und Schuldnerverzug sind gleichfalls lediglich gesetzlich definierte Voraussetzungen unterschiedlicher Rechtsfolgen, aber nicht selbst ein Rechtsverhältnis.
Rz. 78
Die Feststellung des Annahmeverzuges ist allerdings in Verbindung (§ 260 ZPO) mit einer auf eine Zug um Zug vom Beklagten zu erbringende Leistung gerichteten Klage zulässig, damit der Kläger aufgrund des durch das zugestellte Urteil als öffentliche Urkunde geführten Beweises des Annahmeverzugs (§§ 756, 765 ZPO) vollstrecken kann, ohne selbst zunächst die ihm obliegende Leistung erbringen zu müssen. Reine Tatsachen, die Wirksamkeit von Willenserklärungen und Realakten – beispielsweise einer Zustellung – oder die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens können dagegen wiederum nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein. Mehrere Feststellungsanträge können aber – im Rahmen einer interessengerechten Auslegung – gegebenenfalls als Teile ein und desselben, insgesamt zulässigen Feststellungsbegehrens aufzufassen sein.
Rz. 79
Das streitige Rechtsverhältnis muss grundsätzlich zwischen den Prozessparteien bestehen. Ausnahmsweise kann jedoch auch ein Rechtsverhältnis zwischen einer Prozesspartei und einem Dritten oder sogar zwischen zwei am Rechtsstreit nicht beteiligten Personen Gegenstand der Feststellungsklage sein, wenn dieses Rechtsverhältnis zugleich für die Rechtsbeziehungen der Prozessparteien untereinander von Bedeutung ist und ein Feststellungsinteresse des Klägers (siehe unten Rdn 95) besteht. Dies gilt insbesondere für eine – vorweggenommene und nachfolgende – Deckungsklage des Geschädigten gegen den freiwilligen Haftpflichtversicherer des Schä...