1. Allgemeines
Rz. 31
Gerade in Haftpflichtsachen wird nicht selten nur ein Teil des teilbaren Anspruches oder der Ansprüche des Geschädigten eingeklagt, um das Kostenrisiko klein zu halten. Dies ist allerdings im Hinblick auf eine drohende Verjährung und die Rechtskraftwirkung des erstrittenen Urteils nicht ohne Risiko (siehe unten Rdn 36 ff.). Stellt der Kläger ausdrücklich klar oder ist aus seinem Vorbringen – im Wege der Auslegung – ansonsten erkennbar, dass er nur einen Teil seines – vermeintlichen höheren – Anspruchs zur Entscheidung stellt, spricht man von einer "offenen" Teilklage, unterlässt der Kläger dies – bewusst oder unbewusst – handelt es sich um eine "verdeckte" Teilklage.
Zur Geltendmachung von Schmerzensgeld im Wege der Teilklage siehe oben § 17 Rdn 50 f., zum Erwerbsschaden siehe oben § 13 Rdn 6 f. (I).
Rz. 32
Eine von ihm selbst eingeräumte Mithaftungsquote des Klägers (§ 254 BGB; siehe dazu § 18 Rdn 1 ff.), mit der er einem entsprechenden Mitverschuldenseinwand des Beklagten zuvorkommen will, ist bei einer Teilklage regelmäßig vom Gesamtschaden, nicht vom eingeklagten Betrag abzuziehen, weil der Kläger damit in der Regel eine Belastung mit Prozesskosten vermeiden will. Anders ist dies jedoch, wenn der Kläger seine Mithaftung bestreitet, also – trotz der Teilklage – eine Entscheidung über die Mitverantwortung erreichen will. Lässt sich durch die Auslegung des Begehrens des Klägers allein insoweit keine Klarheit schaffen, hat das Gericht dies zu klären (§ 139 Abs. 1 ZPO).
Rz. 33
Beim Zusammentreffen von Teilklage und Aufrechnung kommt es entscheidend auf die zeitliche Reihenfolge der beiderseitigen Aufrechnungserklärungen an: Wenn ein Kläger es versäumt hat, als erster die Aufrechnung mit einem nicht eingeklagten Teil seiner Forderung zu erklären, muss er die Aufrechnung des Beklagten gegen die Klageforderung hinnehmen; eine spätere Gegenaufrechnung des Klägers geht ins Leere. Dies gilt auch bei einer Hilfsaufrechnung des Beklagten.
Rz. 34
Die Parteien können, müssen aber nicht vereinbaren, dass das Ergebnis einer Teilklage auch für den nicht eingeklagten Teil maßgebend sein soll. Dies ist insbesondere möglich, wenn vereinbart wird, dass zunächst nur einer von mehreren Gläubigern einen Teil eines Gesamtschadens einklagt. Ein Anwalt, der von seinem Mandanten beauftragt wird, seine Rechte gegenüber einer Vielzahl von Schuldnern wahrzunehmen und sich aus prozesstaktischen Gründen dazu entschließt, zunächst nur einen oder wenige "Musterprozesse" gegen einen oder einzelne Schuldner oder nur wegen eines Teils des Schadens zu führen, ist verpflichtet, die Verjährung der nicht rechtshängigen Ansprüche (siehe oben § 22 und siehe unten Rdn 37 f.) im Auge zu behalten und erforderlichenfalls zu verhindern.
Rz. 35
Ob für einen Versicherungsnehmer in der Rechtschutzversicherung die Obliegenheit besteht, nur eine Teilklage einzureichen, ist danach zu beurteilen, wie sich ein nicht rechtsschutzversicherter Rechtssuchender, der auf Kostenüberlegungen keine Rücksicht nehmen muss, in gleicher Lage verhalten würde. Zweifel wirken sich zugunsten des Versicherungsnehmers aus.
2. Bestimmtheit der Teilklage (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO)
Rz. 36
Bei einer Teilleistungsklage, mit der mehrere selbstständige Ansprüche – beispielsweise Sach-, Erwerbsschaden, vermehrte Bedürfnisse und Schmerzensgeld – geltend gemacht werden, bedarf es einer näheren Spezifizierung, wie sich der eingeklagte Betrag auf die einzelnen Ansprüche verteilen soll und in welcher Reihenfolge diese Ansprüche bis zu der geltend gemachten Gesamtsumme zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden sollen. Andernfalls ergeben sich unüberwindbare Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Streitgegenstandes (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) und damit zusammenhängend auch bei der Bestimmung der materiellen Rechtskraft sowie der Verjährung. Fehlt es an der gebotenen Abgrenzung, ist die Klage unzulässig, nicht unbegründet; eine erneute Klage bleibt daher nach Abweisung durch Prozessurteil möglich.