I. Anhörungserfordernis gem. § 102 BetrVG
Rz. 72
Die für Beendigungskündigungen geltenden Regelungen des § 102 BetrVG sind ebenso auf die Änderungskündigung anzuwenden. Bei der Anhörung muss der Betriebsrat darüber informiert werden, dass eine Änderungs- und keine Beendigungskündigung ausgesprochen werden soll. Die Gründe für die Kündigung sind ebenso substantiiert mitzuteilen wie im Falle gewöhnlicher Beendigungskündigungen. Darüber hinaus ist der Betriebsrat über das Änderungsangebot genau in Kenntnis zu setzen, insbesondere um diesem die Möglichkeit zu geben, zu prüfen, inwieweit eine andere, mildere Änderung der Arbeitsbedingungen in Betracht kommt. Hört der Arbeitgeber den Betriebsrat zunächst zu einer Beendigungskündigung an und spricht er sodann eine Änderungskündigung aus oder wird umgekehrt der Betriebsrat zu einer Änderungskündigung angehört, dann aber eine Beendigungskündigung ausgesprochen, wird dies regelmäßig zur Unwirksamkeit der Betriebsratsanhörung und damit auch der Kündigung führen. Lässt der Arbeitgeber hingegen im Rahmen der Anhörung des Betriebsrats offen, ob er im Ergebnis eine (genau beschriebene) Änderungs- oder eine Beendigungskündigung aussprechen wird, steht aber der Kündigungssachverhalt für beide Alternativen fest und soll nach den Darlegungen des Arbeitgebers eine der beiden Kündigungen auf jeden Fall ausgesprochen werden, ist der Schutzzweck des § 102 Abs. 1 BetrVG nicht verletzt.
Im Falle des Ausspruchs einer Änderungskündigung hindert dies den Arbeitnehmer allerdings nicht daran, das Änderungsangebot des Arbeitgebers vorbehaltlos anzunehmen mit der Folge, dass regelmäßig eine entsprechende Änderung der Arbeitsbedingungen eintritt. Im Falle einer außerordentlichen (Beendigungs- oder Änderungs-) Kündigung mit Auslauffrist gegenüber einem tariflich unkündbaren Arbeitnehmer steht dem Betriebsrat eine Woche zur Stellungnahme gemäß § 102 Abs. 2 BetrVG zur Verfügung.
II. Mitbestimmungsrechte gem. §§ 99 ff. BetrVG
Rz. 73
In Unternehmen mit i.d.R. mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber den Betriebsrat nach Maßgabe des § 99 Abs. 1 BetrVG vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung zu unterrichten. Änderungskündigungen sind von diesem Mitbestimmungsrecht nur dann betroffen, wenn sie eine Umgruppierung oder Versetzung nach sich ziehen. Der Betriebsrat kann seine Zustimmung zu der beabsichtigten Maßnahme nur dann verweigern, wenn er sich auf einen der in § 99 Abs. 2 Nr. 1–6 BetrVG genannten Gründe stützen kann. Zu berücksichtigen ist, dass die (hier: Umgruppierungs- oder Versetzungs-) Maßnahme, sei sie im Rahmen einer Änderungskündigung erfolgt oder mittels Ausübung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts, ohne Zustimmung des Betriebsrates nicht durchgeführt werden kann. Im Anwendungsbereich der Personalvertretungsgesetze hat die Dienststelle hinsichtlich der Änderungskündigung das Mitwirkungsverfahren und ggf. (z.B. § 75 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG) hinsichtlich einer damit verbundenen Umsetzung das Mitbestimmungsverfahren einzuleiten.
Rz. 74
Praxishinweis
Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Wege der Änderungskündigung, welche der Arbeitnehmer vorbehaltlos oder unter Vorbehalt angenommen hat, geänderte Arbeitsbedingungen angeboten, die eine Versetzung (oder Umgruppierung) beinhalten, und kann nach Ablauf der Kündigungsfrist der tatsächliche Einsatz des Arbeitnehmers auf der neuen Arbeitsstelle wegen fehlender Zustimmung des Betriebsrates nicht erfolgen, wird der Arbeitgeber die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates durch das Arbeitsgericht beantragen, § 99 Abs. 4 BetrVG. Möglich ist allerdings auch, die personelle Maßnahme (hier: Versetzung) nach Ablauf der Kündigungsfrist vorläufig durchzuführen. Das setzt voraus, dass die sofortige Umsetzung der Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist. Der Arbeitgeber hat dann innerhalb von drei Tagen beim Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates und die Feststellung zu beantragen, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war (§ 100 Abs. 1 und 2 BetrVG).
Rz. 75
Die Durchführung des Anhörungsverfahrens gem. § 102 BetrVG ersetzt keineswegs das Mitbestimmungsverfahren gem. §§ 99 ff. BetrVG. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass der Betriebsrat in den beiden Verfahren zu unterschiedlichen Entscheidungen gelangt. Der Arbeitgeber kann allerdings das Anhörungsverfahren gem. § 102 Abs. 1 BetrVG mit der Unterrichtung nach § 99 Abs. 1 BetrVG verbinden. Die Zustimmung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG ist Wirksamkeitsvoraussetzung nur für die tatsächliche Zuweisung des neuen Arbeitsbereichs nach Ablauf der Kündigungsfrist. Ist sie nicht erteilt oder ersetzt, führt dies nicht zur – endgültigen oder auch nur schwebenden – Unwirksamkeit der Änderungskündigung. Auch wird durch die rechtskräftige Abweisung eines A...