Rz. 31
Der Arbeitnehmer kann das Angebot des Arbeitgebers unter Vorbehalt der Überprüfung der sozialen Rechtfertigung der Änderungen annehmen. Dies ist regelmäßig der Auftakt zu einem "echten" Änderungskündigungsschutzprozess.
1. Form und Frist
Rz. 32
Der Vorbehalt kann dem Arbeitgeber gegenüber schriftlich oder mündlich erfolgen, das Gesetz schreibt insoweit keine Form vor. Theoretisch kann die Annahme der geänderten Vertragsbedingungen unter Vorbehalt auch durch schlüssiges Verhalten des Arbeitnehmers geschehen.
Rz. 33
Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach Ablauf der Kündigungsfrist unter Akzeptanz der geänderten Bedingungen stellt allerdings gerade kein solches schlüssiges Verhalten dar. Vielmehr bringt der Arbeitnehmer regelmäßig mit dieser Handlung gerade eine vorbehaltlose Annahme des arbeitgeberseitigen Angebotes zum Ausdruck. Die stillschweigende Weiterarbeit des Arbeitnehmers nach Ablauf der Kündigungsfrist kann sich daher auf seine Rechte ungünstig auswirken. Es ist gerade auch deshalb von Seiten des beratenden Anwaltes für eine fristgerechte Erklärung des Vorbehaltes bzw. der Annahme unter Vorbehalt zu sorgen, weil nach vorbehaltloser Annahme des Änderungsangebotes keinerlei Kündigungsschutzklage mehr Aussicht auf Erfolg besitzt.
Rz. 34
§ 2 S. 2 KSchG ordnet an, dass der Vorbehalt dem Arbeitgeber innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklärt werden muss.
Rz. 35
Der erste Teil der Regelung ist teilweise nicht hinreichend bekannt. Oft wird pauschal davon ausgegangen, dass die Frist zur Erklärung der Annahme unter Vorbehalt stets drei Wochen betrage. Das führt meist in der Praxis deshalb nicht zu Nachteilen, weil die Kündigungsfrist regelmäßig länger als drei Wochen ist. In Probearbeitsverhältnissen, in denen die Kündigungsfrist nur zwei Wochen beträgt, ist wegen des fehlenden allgemeinen Kündigungsschutzes die Überprüfung einer Änderungskündigung auf ihre soziale Rechtfertigung hin regelmäßig nicht möglich. Zu beachten ist aber, dass einige Tarifverträge auch im Anwendungsbereich des KSchG (vgl. §§ 1 Abs. 1, 23 ff.) kürzere Kündigungsfristen als drei Wochen vorsehen. So ordnet beispielsweise der für allgemeinverbindlich erklärte Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe für Arbeitsverhältnisse, die länger als sechs Monate, aber noch nicht drei Jahre bestehen, eine Kündigungsfrist von zwölf Werktagen an. Der ebenfalls allgemeinverbindliche Rahmentarifvertrag für das Gebäudereinigerhandwerk sieht für Arbeitsverhältnisse, die noch nicht fünf Jahre bestehen, eine Kündigungsfrist von zwei Wochen vor. Hier muss die Erklärung der Annahme unter Vorbehalt sich an der dementsprechend kürzeren Kündigungsfrist orientieren, der Vorbehalt muss dem Arbeitgeber innerhalb der Kündigungsfrist zugehen.
Rz. 36
Zweitens ist die Vorschrift auch insofern haftungsträchtig, als Prozessbevollmächtigte in dem praktisch häufigsten Fall, in dem die Kündigungsfrist länger als drei Wochen und somit die Drei-Wochen-Frist einzuhalten ist, die Annahme unter Vorbehalt teilweise nur in der Kündigungsschutzklage erklären, die sie dann erst gegen Ende der Drei-Wochen-Frist bei Gericht einreichen. Damit ist zwar – wegen § 167 ZPO – die Klagefrist gewahrt, oft aber nicht die Frist des § 2 S. 2 KSchG, da es hierfür nicht auf den Eingang bei Gericht, sondern auf den Zugang der Erklärung – die hier erst mit Zustellung der Kündigungsschutzklage geschieht – beim Arbeitgeber ankommt und § 167 ZPO insoweit keine Anwendung findet. § 167 ZPO greift nur dann ein, wenn zur Wahrung der Frist gerade eine Klageerhebung oder eine Prozesshandlung erforderlich ist; das ist bzgl. der Erklärung nach § 2 S. 2 KSchG aber gerade nicht der Fall. Die Annahme unter Vorbehalt muss daher stets auch in einem außergerichtlichen Schreiben erklärt werden, für dessen nachweisbare fristgerechte Zustellung Sorge getragen werden muss.
2. Inhalt
Rz. 37
Aus der Erklärung muss zweierlei hervorgehen: Einerseits muss ihr klar zu entnehmen sein, dass der Arbeitnehmer das Änderungsangebot des Arbeitgebers annimmt. Diese Annahme kann nicht unter (sonstigen) Bedingungen oder unter Modifikationen erklärt werden, sondern muss durch schlichtes "Ja" geschehen. Weiter muss aber auch der Vorbehalt in dem Schreiben klar erkennbar geäußert werden. Der Vorbehalt geht (nur) dahin, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt und dass die Änderungskündigung nicht aus sonstigen Gründen unwirksam ist.