Rz. 76
Erbstatut:
Das Königreich der Niederlande hat die Europäische Erbrechtsverordnung ratifiziert. Damit wird zur Ermittlung des Erbstatuts, ab dem 17.8.2015, an den letzten gewöhnlichen Wohnsitz gemäß Art. 21 EuErbVO angeknüpft. Zuvor wandte das Königreich das Haager Erbrechtsübereinkommen an. Für Erbfälle vor dem 17.8.2015 wird dies weiterhin angewandt. Danach galt, sofern der Erblasser keine Rechtswahl getroffen hatte, dass das Erbstatut anhand einer objektiven Kollisionsleiter bestimmt wird. Gem. Art. 3 Abs. 1 Haager ErbrechtsÜbk ist auf das Recht des Staates abzustellen, indem er seinen letzten Aufenthalt hatte, wenn er zugleich die Staatsangehörigkeit dieses Landes hatte. Das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltes ist anzuwenden, wenn der Erblasser dort in den letzten fünf Jahren seinen Aufenthaltsort hatte (Art. 3 Abs. 2 Haager ErbrechtsÜbk); es sei denn, er hatte aufgrund außergewöhnlicher Umstände eine engere Beziehung zu seinem Heimatland. Damit gilt sowohl nach altem als auch nach neuem Recht der Grundsatz der Nachlasseinheit (Ausnahme: Rechtswahl). Rechtswahl: Bis zum 17.8.2015 konnte ein Erblasser in einer letztwilligen Verfügung von Todes wegen gem. Art. 5 HaagerErbrechtsÜbk sein Heimatrecht, das gewöhnliche Aufenthaltsrecht zum Zeitpunkt der Rechtswahl oder zum Zeitpunkt des Todes wählen. Zur Wirksamkeit dieser getroffenen Rechtswahlen gibt Art. 83 EuErbVO Auskunft. Für die Errichtungen von Testamenten ab Wirksamkeit der EuErbVO gilt Art. 22 EuErbVO entsprechend.
Rz. 77
Güterrecht:
Zum 1.1.2018 wurde die alte allgemeine Gütergemeinschaft durch die neue beschränkte Gütergemeinschaft abgelöst. Bisher flossen in der allgemeinen Gütergemeinschaft die Vermögensmassen mit Eheschließung zusammen. Die Modernisierung der allgemeinen Gütergemeinschaft in Form der beschränkten Gütergemeinschaft sieht insbesondere Änderungen in Bezug auf das Vermögen vor der Eheschließung vor. Ferner fallen Schenkungen und Erbschaften, welche in einer Ehe zugeflossen sind, nicht mehr in die Gemeinschaft. Nach wie vor vertraglich möglich ist darüber hinaus die Gütertrennung.
Rz. 78
Gesetzliche Erbfolge:
Gesetzliche Erben der ersten Gruppe sind die leiblichen Abkömmlinge des Erblassers sowie der Ehegatte. Adoptierte Kinder stehen leiblichen Abkömmlingen gleich (starke Adoption). Die Erben der zweiten Gruppe sind die Eltern des Erblassers, zusammen mit dessen Geschwistern. Erben dritter Gruppe sind die Großeltern des Erblassers; Erben vierter Gruppe sind die Urgroßeltern. Mehrere Erben bilden eine Erbengemeinschaft in Form einer Bruchteilsgemeinschaft. Es bestehen jedoch gewisse rechtliche Annäherungen an die Gesamthandsgemeinschaft. So darf ein Miterbe beispielsweise nicht alleine über einen Nachlassgegenstand verfügen.
Rz. 79
Testamentsformen:
Die Niederlande haben das Haager Testamentsformabkommen unterzeichnet. Letztwillige Verfügungen werden ausschließlich in Form notarieller Urkunden errichtet. Es existieren drei Formen von Testamenten: das öffentliche Testament (openbare testament), das Depottestament, welches nur beim Notar in Depot gegeben wird, sowie das Codicil, welches handgeschrieben ist und auch Anordnungen direkt ab dem Todesfall (Bestattung etc.) enthält. Möglich sind auch Schenkungen nach dem Tod (donatio mortis causa). Das gemeinschaftliche Testament ist nichtig. Ebenfalls unzulässig sind Erbverträge, soweit sie die Verteilung einer noch nicht angefallenen Erbschaft regeln. Es existiert ein zentrales Testamentsregister (Centraal Testamentenregister) in Den Haag.
Rz. 80
Pflichtteilsrecht:
Das Pflichtteilsrecht war bis zum Jahre 2003 als Noterbenanspruch ausgestaltet. Damit erlangte der Pflichtteilserbe die Stellung eines echten Miterben. Nach der Reformierung des Pflichtteilsrechts ist der Pflichtteilsanspruch nunmehr als schuldrechtlicher Ausgleichsanspruch ausgestaltet. Es besteht kein Anspruch auf einzelne Nachlassgegenstände. Die Höhe des Pflichtteilsanspruchs der Nachkommen beläuft sich auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Zuwendungen werden nur binnen der letzten fünf Jahre angerechnet.
Rz. 81
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft:
Die vorbehaltslose Annahme der Erbschaft kann zum einen durch explizite Erklärung erfolgen, zum anderen auch durch eindeutiges Verhalten der Erben. Daneben gibt es die Möglichkeit, die Annahme der Erbschaft mit einer Inventaraufnahme zu erklären (beneficiaire aanvaardig). Diese Form der Annahme muss per Erklärung bei der Kanzlei des Gerichts abgegeben werden, in dessen Bezirk das "Sterbehaus" des Erblassers liegt. Letztlich kann die Erbschaft auch ausgeschlagen werden.
Rz. 82
Erbschaftsteuer:
In den Niederlanden wird Erbschaft- und Schenkungsteuer erhoben. Angeknüpft wird an in den in den Niederlanden wohnenden Erblasser bzw. Schenker. Darüber hinaus existiert eine erweitere unbeschränkte Steuerpflicht für Niederländische Staatsbürger, nach Aufgabe des inländischen Wohnsitzes für einen Zeitraum von zeh...