1. Widerspruchs- und Klagebefugnis
Rz. 18
Um im Widerspruchs- und Klageverfahren erfolgreich den Erlass eines Verwaltungsaktes zu erwirken oder gegen einen belastenden Verwaltungsakt vorzugehen, bedarf es gem. § 42 Abs. 2 VwGO der Widerspruchs- bzw. Klagebefugnis des Widerspruchsführers bzw. Klägers. Dieser muss geltend machen können, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in eigenen Rechten verletzt zu sein.
Rz. 19
Im Fall einer Erbengemeinschaft sind die Miterben regelmäßig nur gemeinsam klagebefugt. Ein einzelner Miterbe kann sich lediglich im Ausnahmefall allein auf die Klagebefugnis berufen, wenn die Klage eine zur Erhaltung des Nachlasses notwendige Maßregel i.S.v. § 2038 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB darstellt, mithin ein Fall der Notgeschäftsführung vorliegt. Dies wurde von der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung insbesondere in folgenden Fällen angenommen:
▪ |
Anfechtungsklage eines Miterben gegen einen Enteignungsbeschluss für ein Nachlassgrundstück |
▪ |
Anfechtungsklage eines Miterben gegen Maßnahmen der Flurbereinigungsbehörde, welche die Grundstückszuteilung betreffen |
▪ |
Anfechtungsklage eines Miterben gegen die Inanspruchnahme eines Nachlassgrundstücks durch einen Wasserbeschaffungsverband |
▪ |
Anfechtungsklage eines Miterben gegen einen Planfeststellungsbeschluss, mit dem ein Nachlassgrundstück unmittelbar für die Errichtung einer Autobahn genutzt werden soll |
▪ |
Drittwiderspruch eines Miterben gegen die einem Nachbarn des Nachlassgrundstücks erteilte Baugenehmigung, mit der gegen drittschützende Abstandsflächenvorschriften verstoßen wird |
▪ |
Anfechtungsklage eines Miterben gegen einen Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau eines Hafens, von dem das Nachlassgrundstück mittelbar betroffen ist. |
Allen aufgeführten Fällen ist gemein, dass die prozessualen Maßnahmen dem wirtschaftlichen Erhalt des Nachlasses dienen. Sie bezwecken die Abwehr des staatlichen Zugriffs auf den Nachlass und sollen rechtswidrige sowie für den Wert oder die Nutzung des Nachlasses nachteilige Auswirkungen verhindern.
Rz. 20
Verfolgt ein Miterbe das Ziel, lediglich unbedeutende Auswirkungen auf den Nachlass abzuwenden, handelt es sich nicht um eine zur Klage berechtigende Notgeschäftsführung. Dies gilt erst recht, wenn die Klage auf eine materielle Rechtsgestaltung durch den Erlass eines Verwaltungsaktes abzielt. Mithin fehlt dem Miterben insoweit die Klagebefugnis.
Von der fehlenden Klagebefugnis eines Miterben ist die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung insbesondere in folgenden Fällen ausgegangen:
▪ |
Drittanfechtungsklage eines Miterben gegen die einem Nachbarn erteilte Baugenehmigung für die Errichtung eines Gebäudes in einer Entfernung von ca. 85 m zum Nachlassgrundstück |
▪ |
Verpflichtungsklage eines Miterben auf immissionsschutzrechtliches Einschreiten gegen den Betrieb eines Freibades, der schädliche Umwelteinwirkungen für das Nachlassgrundstück verursacht. |
2. Prozessführungsbefugnis
Rz. 21
Eine weitere Sachurteilsvoraussetzung, die sich aus § 42 Abs. 2 VwGO ergibt und insbesondere im Hinblick auf die Erbengemeinschaft von besonderer Bedeutung ist, ist die Prozessführungsbefugnis. Diese verlangt, dass der Kläger berechtigt ist, den prozessualen Anspruch im eigenen Namen geltend zu machen. Ist ein einzelner Miterbe Kläger in einem Verwaltungsprozess, ist er allein zur Prozessführung befugt, wenn ein Fall der Notgeschäftsführung oder der gesetzlichen Prozessstandschaft nach § 2039 S. 1 BGB vorliegt. Ist ein solcher Fall nicht gegeben, muss er mit den anderen Miterben in notwendiger Streitgenossenschaft klagen. Die Miterben können Prozesshandlungen, etwa eine Klageänderung gem. § 91 Abs. 1 i.V. m § 44 VwGO dann nur gemeinsam vornehmen, da sie nur gemeinsam prozessführungsbefugt sind.