A. Die Erbengemeinschaft im Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess
I. Rechtsnachfolge im laufenden Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess
1. Verwaltungsverfahren
Rz. 1
Stirbt ein Beteiligter im laufenden Verwaltungsverfahren, wird das Verfahren auf Anordnung der federführenden Behörde gem. § 239 Abs. 1 ZPO analog unterbrochen, damit zunächst die Frage der Rechtsnachfolge geklärt werden kann. Der weitere Fortgang hängt sodann davon ab, ob es sich um ein Verwaltungsverfahren handelt, das auf Antrag oder von Amts wegen eingeleitet wurde. Bei einem Antragsverfahren muss die Behörde dem Rechtsnachfolger eine angemessene Frist setzen, innerhalb der er mitteilen muss, ob er das Verfahren fortführen will. Entscheidet er sich dagegen oder meldet er sich nicht bzw. nicht fristgerecht zurück, kann die Behörde das Verfahren einstellen. Handelt es sich um ein von Amts wegen eingeleitetes Verfahren, liegt es im Ermessen der Behörde, das Verfahren einzustellen oder es mit dem bzw. gegen den Rechtsnachfolger fortzusetzen.
2. Verwaltungsprozess
Rz. 2
Im Verwaltungsprozess sind die §§ 239 ff. ZPO gem. § 173 S. 1 VwGO entsprechend anzuwenden. Mit dem Tod eines Beteiligten tritt daher eine Unterbrechung des Prozesses bis zur Aufnahme durch den Rechtsnachfolger ein. Der Rechtsnachfolger ist allerdings nicht verpflichtet, den Prozess fortzuführen. Lehnt er die Fortführung ab, ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt. Gem. § 161 Abs. 2 VwGO entscheidet das Gericht dann nur noch über die Kosten des Verfahrens.
Rz. 3
Wurde der verstorbene Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten, tritt gem. § 173 S. 1 VwGO i.V.m. §§ 86, 246 Abs. 1 Hs. 1 ZPO keine Unterbrechung des Prozesses ein. Auf Antrag des Bevollmächtigten hat das Gericht gem. § 173 S. 1 VwGO i.V.m. §§ 86, 246 Abs. 1 Hs. 2 ZPO aber die Aussetzung anzuordnen.
II. Beteiligungsfähigkeit der Erbengemeinschaft
Rz. 4
Um an einem Verwaltungsverfahren oder Verwaltungsprozess teilnehmen zu können, bedarf es der Beteiligungsfähigkeit. Beteiligungsfähig sind insbesondere natürliche Personen (§ 11 Nr. 1 VwVfG, § 61 Nr. 1 VwGO) und Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann (§ 11 Nr. 2 VwVfG, § 61 Nr. 2 VwGO).
Rz. 5
Die Erbengemeinschaft besitzt keine eigene Rechtspersönlichkeit und ist daher weder rechts- noch parteifähig. Sie ist folglich nicht fähig, Beteiligte eines Verwaltungsverfahrens oder eines Verwaltungsprozesses zu sein. Beteiligungsfähig sind nur die einzelnen Miterben als natürliche Personen gem. § 11 Nr. 1 VwVfG und § 61 Nr. 1 VwGO.
Rz. 6
Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn das Verwaltungsverfahren oder der Verwaltungsprozess auf ein Handeln der Erbengemeinschaft abzielt, das sich als Verwaltung des Nachlasses i.S.v. § 2038 Abs. 1 S. 1 BGB darstellt. In diesem Fall ist die Erbengemeinschaft als solche gem. § 11 Nr. 2 VwVfG bzw. § 61 Nr. 2 VwGO beteiligungsfähig.
III. Bekanntgabe des Verwaltungsaktes
Rz. 7
Erlässt eine Behörde einen Verwaltungsakt, bedarf es für dessen Wirksamkeit gem. § 43 Abs. 1 S. 1 VwVfG der ordnungsgemäßen Bekanntgabe.
1. Bekanntgabe gegenüber dem Adressaten
Rz. 8
Gem. § 41 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 VwVfG ist der Verwaltungsakt demjenigen bekannt zu geben, für den er bestimmt ist. Hiermit ist der Adressat des Verwaltungsaktes gemeint, also derjenige, der den Erlass des Verwaltungsaktes beantragt hat (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 VwVfG) oder derjenige, an den die Behörde den Verwaltungsakt richten will oder gerichtet hat (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG).
Im Fall einer Erbengemeinschaft ist der Verwaltungsakt aufgrund der fehlenden Rechts- und Beteiligungsfähigkeit der Erbengemeinschaft den einzelnen Miterben gesondert bekannt zu geben. Erfolgt die Bekanntgabe nicht gegenüber allen Miterben, ist der Verwaltungsakt für die Miterben, denen er bekannt gegeben wurde, trotzdem wirksam.
Rz. 9
Im Steuer- und Kommunalabgabenrecht ist die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes im Hinblick auf die Erbengemeinschaft weniger aufwendig. So reicht es für die wirksame Bekanntgabe eines Steuerbescheids gem. § 34 Abs. 2 i.V.m. § 122 Abs. 1 S. 2 AO grundsätzlich aus, wenn diese nur gegenüber einem Miterben erfolgt, wobei aus dem Bescheid dennoch hinreichend bestimmt hervorgehen muss, dass er sich an die Miterben richtet. Gleiches gilt regelmäßig für Bescheide über Kommunalabgaben (Steuern, Gebühren und Beiträge). Die jeweiligen landesrechtlichen Regelungen verweisen insoweit auf die AO.
Rz. 10
Zwar ist die Behörde aufgrund des Bestimmtheitsgebots gem. § 37 Abs. 1 VwVfG verpflichtet, den Adressaten eines schriftlichen Verwaltungsaktes so genau anzugeben, dass eine Verwechslung mit anderen Personen ausgeschlossen und die von der Behörde angesprochene Person eindeutig identifiziert werden kann. Ist der Verwaltungsakt a...