Rz. 294
Die Erbrechtsverordnung gilt in der Schweiz nicht. Das Erbstatut wird freilich im Schweizer Bundesgesetz über das über das Internationale Privatrecht vom 18.12.1987 (IPRG) sehr ähnlich bestimmt, wie in den Art. 21 ff. EuErbVO. Im Detail können sich – vor allem bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts und bei den Rechtswahlmöglichkeiten – durchaus einige Unterschiede ergeben, die im Einzelfall erheblich werden können. Derzeit arbeitet man an einer Reform der Regeln, die eine Angleichung an die EuErbVO bewirken soll. Aktuell gilt allerdings noch Folgendes:
Zitat
Art. 90.
(1) Der Nachlass einer Person mit letztem Wohnsitz in der Schweiz untersteht schweizerischem Recht.
(2) Ein Ausländer kann jedoch durch letztwillige Verfügung oder Erbvertrag den Nachlass einem seiner Heimatrechte unterstellen. Diese Unterstellung fällt dahin, wenn er im Zeitpunkt des Todes diesem Staat nicht mehr angehört hat oder wenn er Schweizer Bürger geworden ist.
Zitat
Art. 91.
(1) Der Nachlass einer Person mit letztem Wohnsitz im Ausland untersteht dem Recht, auf welches das Kollisionsrecht des Wohnsitzstaates verweist.
(2) Soweit nach Artikel 87 die schweizerischen Gerichte oder Behörden am Heimatort zuständig sind, untersteht der Nachlass eines Schweizers mit letztem Wohnsitz im Ausland schweizerischem Recht, es sei denn, der Erblasser habe in der letztwilligen Verfügung oder im Erbvertrag ausdrücklich das Recht an seinem letzten Wohnsitz vorbehalten.
Rz. 295
Maßgeblich für die Bestimmung des auf die Erbfolge anwendbaren Rechts ist also grundsätzlich der Wohnsitz des Erblassers. Auf die Staatsangehörigkeit des Erblassers kommt es bei dieser Anknüpfung nicht an. Dies gilt unabhängig davon, ob der Erblasser eine oder mehrere Staatsangehörigkeiten besitzt. Dabei ist der für die Anknüpfung maßgebliche Wohnsitz nach Art. 20 Abs. 1 IPRG wie folgt zu bestimmen:
Zitat
Art. 20.
(l) Im Sinne dieses Gesetzes hat eine natürliche Person:
a) ihren Wohnsitz in dem Staat, in dem sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält;
b) ihren gewöhnlichen Aufenthalt in dem Staat, in dem sie während längerer Zeit lebt, selbst wenn diese Zeit zum vornherein befristet ist; …
(2) Niemand kann an mehreren Orten zugleich Wohnsitz haben. Hat eine Person nirgends einen Wohnsitz, so tritt der gewöhnliche Aufenthalt an die Stelle des Wohnsitzes. Die Bestimmungen des Zivilgesetzbuches über Wohnsitz und Aufenthalt sind nicht anwendbar.
Rz. 296
Ein deutscher Erblasser, der in die Schweiz übergesiedelt ist, wird also aus schweizerischer Sicht nach schweizerischem Recht beurteilt. Das gilt aus deutscher Sicht nur dann, wenn er mit der Übersiedlung in der Schweiz auch einen gewöhnlichen Aufenthalt i.S.d. Art. 21 EuErbVO begründet haben sollte.
Rz. 297
Gem. Art. 90 Abs. 2 IPRG wie auch gem. Art. 22 EuErbVO kann jedoch ein in der Schweiz lebender deutscher Staatsangehöriger durch letztwillige Verfügung oder Erbvertrag seinen Nachlass seinem deutschen Heimatrecht unterstellen und damit gewährleisten, dass auch die schweizerischen Behörden sein deutsches Heimatrecht auf die Erbfolge anwenden. Diese Wahl deutschen Rechts empfiehlt sich dabei trotz der zahlreichen Ähnlichkeiten zwischen dem deutschen und dem schweizerischen Recht häufig schon deswegen, weil die Pflichtteilsquoten des schweizerischen Rechts erheblich höher sind, als nach deutschem Recht.
Rz. 298
Muster 26.47: Wahl deutschen Erbrechts durch einen deutschen Erblasser
Muster 26.47: Wahl deutschen Erbrechts durch einen deutschen Erblasser
Ich bin deutscher Staatsangehöriger. Ich unterstelle meinen Nachlass dem deutschen Recht.
Rz. 299
Diese Rechtswahl wird aus Schweizer Sicht allerdings unwirksam, wenn der Erblasser bei seinem Tode die deutsche Staatsangehörigkeit nicht mehr besitzt oder schweizerischer Bürger geworden ist (während sie aus deutscher Sicht gem. Art. 22 Abs. 1 EuErbVO wirksam bliebe). Das gilt gem. Art. 23 Abs. 1 IPRG auch in dem Fall, dass der Erblasser zum Zeitpunkt des Erbfalls neben der schweizerischen Staatsangehörigkeit die deutsche beibehalten hatte.