Rz. 79
Wirksamkeit und Bindungswirkungen einer vertragsmäßigen Verfügung unterliegen nach Art. 25 Abs. 1 EuErbVO wie auch schon unter Art. 26 Abs. 5 S. 1 EGBGB a.F. dem Errichtungsstatut. Das ist bei einem einseitig verfügenden Erbvertrag das für den vertragsmäßig gebundenen Erblasser geltende Recht an seinem bei Vertragsabschluss aktuellen gewöhnlichen Aufenthalt oder das von ihm spätestens bei Abschluss des Erbvertrags gem. Art. 22 EuErbVO gewählte Heimatrecht ("große Rechtswahl"). Dieser kann – wie bei einem Testament – darüber hinaus auch ausschließlich die Zulässigkeit, die materielle Wirksamkeit und die Bindungswirkungen des Erbvertrags, einschließlich der Voraussetzungen für seine Auflösung, gem. Art. 25 Abs. 3 EuErbVO einem seiner Heimatrechte unterstellen (Teilrechtswahl; "kleine Rechtswahl").
Rz. 80
Handelt es sich um einen mehrseitig verfügenden Erbvertrag, der den Nachlass mehrerer Personen betrifft, so sind Wirksamkeit und Bindungswirkungen für jeden Erblasser gesondert zu beurteilen. Er ist insgesamt gem. Art. 25 Abs. 2 EuErbVO aber nur dann als zulässig zu behandeln, wenn er nach jedem der Rechte zulässig ist, die nach dieser Verordnung auf die Rechtsnachfolge der einzelnen beteiligten Personen anzuwenden wären, wenn sie zu dem Zeitpunkt verstorben wären, in dem der Erbvertrag geschlossen wurde. Insoweit hat sich also in der Erbrechtsverordnung die sog. kumulative Anknüpfung durchgesetzt, die in Deutschland schon seit langem nicht mehr vertreten wurde.
Rz. 81
Die mit der kumulativen Anknüpfung verbundenen unverhältnismäßigen Beschränkungen bei der Zulässigkeit des Abschlusses von Erbverträgen werden allerdings durch großzügige Rechtswahlmöglichkeiten wieder gelockert. So können gem. Art. 25 Abs. 3 EuErbVO bei einem mehrseitigen Erbvertrag die Vertragsbeteiligten die Zulässigkeit, die materielle Wirksamkeit und die Bindungswirkungen ihres Erbvertrags, einschließlich der Voraussetzungen für seine Auflösung dem Recht unterstellen, das eine der Personen, deren Nachlass betroffen ist, nach Art. 22 EuErbVO hätte wählen können. Es genügt also, dass ein einziger von ihnen einem Staat angehört, der den Erbvertrag kennt, damit alle anderen ebenfalls dieses Recht wählen können – jedenfalls inhaltlich beschränkt auf die Wirksamkeit etc. des Erbvertrags.
Rz. 82
Vertragsmäßige Verfügungen im Sinne des BGB kennen außer dem deutschen nur das schweizerische und das türkische Recht. Diese Rechte lassen sich daher sehr gut miteinander kombinieren. Besonderheiten, die besondere Gestaltungen erforderlich machen, ergeben sich im österreichischen Recht (vgl. zum Erbvertrag unter Beteiligung österreichischer Ehegatten unten, Rdn 287). Inzwischen sehen auch eine zunehmende Anzahl osteuropäischer Rechtsordnungen, wie das tschechische, das russische, ukrainische und das ungarische Recht Erbverträge vor. In England und den USA gibt es Vereinbarungen, mit denen sich die Erblasser quasi "auf schuldvertraglicher" Basis verpflichten, nicht anderweitig zu testieren (vgl. zu England (contract to make a will) unten Rdn 173, vgl. zu den USA unten Rdn 388). Ähnlich ist das Recht in Dänemark und Norwegen.
Rz. 83
Da die meisten Rechtsordnungen vertragliche Verfügungen nicht kennen oder ausdrücklich für unwirksam erklären, sollte bei Geltung eines ausländischen Errichtungsstatuts nach einer Möglichkeit gesucht werden, gem. Art. 25 Abs. 3 EuErbVO deutsches Recht zu wählen bzw. im Zweifel testamentarisch zu verfügen.
Rz. 84
Ist dagegen bei Geltung deutschen Erbstatuts Vermögen in einem ausländischen Staat belegen, der zwar die Geltung des deutschen Erbrechts grundsätzlich anerkennt, dessen Recht aber grundsätzlich einer erbrechtlichen Bindung kritisch gegenübersteht (wie z.B. das griechische Recht), so dass die Anerkennung vertragsmäßiger Verfügungen – trotz Geltung deutschen Erbrechts auch aus Sicht des ausländischen Staates – nicht völlig unproblematisch erscheint (man denke an den Einsatz des ordre public-Vorbehalts), so könnte sich ggf. das Ausweichen auf das gemeinschaftliche Testament empfehlen. In diesem Fall könnte der ausländische Staat seine Ablehnung der vertraglichen Bindung auch dadurch gegen das deutsche Recht durchsetzen, dass er die den gemeinschaftlichen Verfügungen vom deutschen Gesetz beigelegte Bindungswirkung nicht akzeptiert. Bei einer erbvertraglichen Verfügung ist das schwieriger, denn diese ist schon von ihrem Erklärungsinhalt her auf Bindungswirkung angelegt. Im Geltungsbereich der EuErbVO sollte eigentlich über Art. 25 EuErbVO die Anerkennung des Erbvertrags gesichert und der Einsatz der ordre public gegenüber dem deutschen Erbrecht praktisch ausgeschlossen sein. Vorbehalte gegen die Anerkennung von Erbverträgen bestehen aber weiterhin in Rumänien und in Griechenland. EuErbVO.
Rz. 85
Muster 26.18: Erbvertrag von ausländischen Staatsangehörigen mit Rechtswahl
Muster 26.18: Erbvertrag von ausländischen Staatsangehörigen mit Rechtswahl
Die Erschienene zu 1 ist ungarische Staatsangehörige, der Erschien...