Rz. 352

Einige autonome Gebiete Spaniens[186] haben eigene erbrechtliche Regelungen (Foralrechte), die dort an die Stelle des im Código Civil (CC) kodifizierten "gemeinspanischen" Erbrechts treten. Die Foralrechte weichen vor allem in Bezug auf das gesetzliche Ehegattenerbrecht, die Zulässigkeit von Erbverträgen und gemeinschaftlichen Testamenten sowie den Umfang der Noterbrechte erheblich vom gemeinspanischen Recht ab. Ob und welches dieser Foralrechte anwendbar ist, bestimmen die interlokalen Kollisionsnormen im Einleitungsteil des CC. Das einschlägige Erbrecht wird danach anhand der vecindad civil (Gebietszugehörigkeit) des Erblassers bestimmt, Art. 9.8 i.V.m. Art. 16.1 CC. Bei dieser Anknüpfung an die vecindad civil handelt es sich um ein einheitliches interlokales Privatrecht i.S.v. Art. 36 Abs. 1 EuErbVO.[187]

 

Rz. 353

Die vecindad civil erwirbt ein Spanier von den Eltern durch Abstammung. Hat er mindestens zehn Jahre lang seinen Wohnsitz in einem Gebiet, in dem ein anderes Recht (Foralrecht bzw. gemeines Recht) gilt, so wechselt die vecindad civil – sofern der Betroffene nicht eine gegenteilige Absicht geäußert hat. Gem. Art. 14.5 CC kann der Wechsel auch bereits nach zwei Jahren Aufenthalts erreicht werden, indem der Betreffende dem Zivilregister gegenüber eine entsprechende Erklärung abgibt. Die vecindad civil bleibt nach Wegzug in das Ausland bestehen. Auslandsspanier, die im Ausland geboren wurden und verstorben sind, ohne jemals längere Zeit in Spanien gelebt zu haben, behalten die vecindad civil kraft Abstammung.

 

Rz. 354

Muster 26.57: Angaben zur vecindad civil

 

Muster 26.57: Angaben zur vecindad civil

Ich bin ausschließlich spanischer Staatsangehöriger. Ich lebe seit 1999 in Deutschland. Bis zu meiner Übersiedlung nach Deutschland habe ich ausschließlich in der Autonomen Region Katalonien (Barcelona) gelebt. Von dort stammen auch meine Eltern. Ich habe daher die Gebietszugehörigkeit (vecindad civil) von Katalonien und gehe davon aus, dass für mich die Regeln des katalanischen Erbrechts gelten.

Ein noch nicht eindeutig gelöstes Problem ergibt sich daraus, dass nach spanischem Recht die vecindad civil an die spanische Staatsangehörigkeit gebunden ist. In Spanien lebende Erblasser ohne spanische Staatsangehörigkeit unterliegen daher dem gemeinspanischen Recht. Dies würde auch für in Spanien lebende deutsche Staatsangehörige nach Art. 36 EuErbVO gelten, so dass Art. 36 Abs. 1 EuErbVO vorrangig vor der Anwendung des am gewöhnlichen Aufenthalt geltenden partikularen Rechts den Rückgriff auf das spanische interlokale Privatrecht vorsieht. Freilich ergeben sich in Spanien wohl abweichende Stimmen,[188] die insoweit auf eine ersatzweise Anknüpfung an den innerspanischen Wohnsitz des Erblassers bzw. den gewöhnlichen Aufenthalt in einer bestimmten Region (Art. 36 Abs. 2 Ziff. 1 EuErbVO analog) abstellen. Eine unmittelbare Wahl des Partikularrechts scheidet nach aktuell wohl überwiegender Ansicht dagegen aus.

[186] Dies gilt für Aragon, die Balearen, das Baskenland, Biskaya, Galizien, Katalonien und Navarra.
[187] Staudinger/Dörner, Anh. zu Art. 25 f. EGBGB Rn 629.
[188] Dazu Alcazar/Löber/Steinmetz, ZEV 2013, 535.

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