Rz. 6

Befindet sich der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers in einem anderen Staat, so ist gem. Art. 34 EuErbVO das Internationale Privatrecht dieses Staates anzuwenden. Ist dieser Staat ein anderer Mitgliedstaat der EU (außer Dänemark, das Vereinigte Königreich oder Irland), so gilt auch aus dessen Sicht das nach der Erbrechtsverordnung bestimmte Recht. Es kommt dann also unmittelbar zur Geltung des materiellen Rechts dieses anderen Mitgliedstaates.

 

Rz. 7

Hatte der Erblasser dagegen seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem nicht der EU zugehörigen Drittstaat, so ist das IPR dieses Staates anzuwenden. Das Gleiche muss auch dann gelten, wenn sich der gewöhnliche Aufenthalt in Dänemark, dem Vereinigten Königreich oder Irland befand – auch wenn sich in der Erbrechtsverordnung, anders als in anderen Rechtsinstrumenten der EU kein ausdrücklicher Hinweis befindet, dass diese drei Mitgliedstaaten als "Drittstaaten" i.S.d. Verordnung zu behandeln sind.

 

Beispiel

Ein aus Dortmund stammender Lehrer arbeitet seit 15 Jahren aufgrund eines unbefristeten Vertrags für das Goethe-Institut in Bristol. Er lebt dort mit seiner deutschen Frau und zwei Kindern in einem Haus, das er mit Ersparnissen gekauft hat. Ein drittes Kind studiert in Kassel.

In diesem Fall wird man wohl annehmen können, dass der Lehrer einen gewöhnlichen Aufenthalt in England hat (anders wohl dann, wenn die Arbeitsverträge immer auf eine Dauer von 5 Jahren befristet wären). Solange freilich nicht ausgeschlossen ist, dass er nach Beendigung seiner Arbeitstätigkeit – und sei es auch erst nach Eintritt in den Ruhestand – nach Deutschland zurückkehrt, so wird sich das domicile i.S.d. englischen Rechts wohl weiterhin in Deutschland befinden (zum englischen domicile vgl. unten Rdn 155). Insoweit kommt es daher für die Vererbung des beweglichen Vermögens zu einer Rückverweisung auf das deutsche Recht. Lediglich für die Vererbung der Hausimmobilie würde das englische Recht die Verweisung annehmen.

 

Rz. 8

Das ausländische IPR ist auch dann zu beachten, wenn dieses auf das Recht eines anderen Mitgliedstaates verweist. In diesem Fall würde sich dann zwar aus der Sicht des Gerichtsstaates eines sog. Weiterverweisung ergeben, die nach dem traditionellen System in vielen EU-Mitgliedstaaten unberücksichtigt bleibt und daher auch in der Erbrechtsverordnung grundsätzlich nicht zu befolgen ist. Aus Sicht des Mitgliedstaates, auf dessen Recht das ausländische Aufenthaltsrecht verweist, läge freilich eine direkte Rückverweisung vor, die durch Art. 34 EuErbVO begünstigt werden soll. Die Einheitlichkeit der Rechtsanwendung im Kreis der Mitgliedstaaten verlangt daher, dass die Weiterverweisung auf das Recht eines anderen Mitgliedstaates wie eine unmittelbare Rückverweisung befolgt wird.

 

Beispiel

Der Lehrer im vorgenannten Fall hatte von seinem Onkel ein Ferienhaus in der Normandie geerbt. Diesbezüglich würde das englische IPR auf das französische Belegenheitsrecht verweisen. Dies stellt aus Sicht der französischen Stellen eine Rückverweisung auf das französische Recht dar. Aus deutscher Perspektive liegt eine Weiterverweisung auf das Recht eines anderen Mitgliedstaates vor. Es tritt mithin eine Nachlassspaltung ein, wonach sich die Immobilie nach französischem Recht und der übrige Nachlass nach dem englischen Erbrecht vererbt.

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