Rz. 55
Art. 25 Abs. 2 EGBGB enthielt eine sehr beschränkte Möglichkeit der Rechtswahl:
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nur für in Deutschland belegenes unbewegliches Vermögen |
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nur zugunsten deutschen Rechts |
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nur durch ausländische Erblasser (für Deutsche gilt deutsches Erbrecht nämlich schon gem. Art. 25 Abs. 1 EGBGB – vgl. aber zur Rechtswahl durch deutsche Erblasser mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland in der Übergangszeit bis zum 16.8.2015 oben Rdn 25) |
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aus Art. 83 Abs. 2 EuErbVO ergibt sich nun zudem, dass die Rechtswahl nach dem 16.8.2015 nur dann wirksam bleibt, wenn der Erblasser zum Zeitpunkt der Ausübung der Rechtswahl seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte. Nach dem Wortlaut des Art. 83 Abs. 2 EuErbVO genügt auch, dass der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte. In dieser Konstellation findet das deutsche Erbrecht aber schon über Art. 21 EuErbVO auf den gesamten Nachlass Anwendung, so dass die Rechtswahl quasi "ins Leere ginge". |
Rz. 56
Die Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB konnte sich vor allem in folgenden Konstellationen empfehlen:
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Der Erblasser gehört einem "exotischen" Staat an, dessen Erbrecht schwer festgestellt werden kann und möchte für den Fall seines Todes die praktische Durchführung der Nachlassabwicklung erleichtern. Das gilt nicht allein für die Fälle, in denen das materielle Erbrecht schwer feststellbar ist; manchmal ist auch das internationale Erbrecht nicht feststellbar, so dass das Vorliegen einer Rückverweisung nicht sicher beurteilt werden kann. |
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Das ausländische Recht ist inhaltlich bekannt, seine Umsetzung bereitet aber im Inland rechtliche Schwierigkeiten (z.B. gesetzlicher Nießbrauch des Ehegatten am Nachlass nach spanischem Recht; fortgesetzte Gütergemeinschaft nach dänischem Recht; ungleiche Erbquoten für eheliche und nichteheliche Angehörige nach islamischen Recht etc.). |
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Der Erblasser möchte durch die Rechtswahl die objektive Anknüpfung dahingehend korrigieren, dass aus deutscher und aus Sicht seines Heimatstaates die Erbfolge demselben Recht unterliegt (zur Vermeidung des internationalen Entscheidungsdissens durch eine Rechtswahl gem. Art. 25 EGBGB siehe z.B. unten – Frankreich Rdn 194). |
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Der Erblasser möchte im Vergleich zum deutschen Recht strengere Pflichtteilsregelungen seines Heimatrechts umgehen. |
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Der Erblasser möchte bestimmte Gestaltungsmittel des deutschen Rechts nutzen, die das objektiv bestimmte ausländische Erbrecht nicht oder nicht mit diesen Wirkungen kennt (Erbvertrag, gemeinschaftliches Testament, Vor- und Nacherbfolge, Testamentsvollstreckung etc.). |
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Der Erblasser möchte wegen der damit verbundenen Gestaltungsmöglichkeiten bewusst eine Nachlassspaltung herbeiführen (vgl. unten Rdn 108). |
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Der Erblasser lebte wegen einer gegenständlich beschränkten Rechtswahl nach Art. 15 Abs. 2 Nr. 3 EGBGB im deutschen Güterrecht und möchte zur Vermeidung rechtlicher Probleme Erb- und Güterstatut in Einklang bringen. |
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Eheleute möchten sich beide nach den gleichen Regeln beerben. |
Rz. 57
Hat der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, so unterliegt nunmehr über Art. 21 EuErbVO die Erbfolge für den gesamten Nachlass von Gesetzes wegen dem deutschen Recht. Damit haben sich die meisten der vorgenannten Anwendungsfälle für die Rechtswahl künftig erledigt.
Die auf Art. 25 Abs. 2 EGBGB a.F. gestützte Rechtswahl ginge also "ins Leere". Ein Anwendungsbereich verbliebe allenfalls in der Konstellation, dass der Erblasser nach Ausübung der Rechtswahl seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland aufgibt und ins Ausland zieht. In allen anderen Fällen sollte überprüft werden, ob nicht die getroffenen Verfügungen anpassungsbedürftig werden:
Beispiel
In Deutschland lebende kroatische Eheleute haben miteinander einen Erbvertrag abgeschlossen. Da das kroatische Erbrecht den Erbvertrag nicht kennt, haben sie für die Vererbung ihrer in Duisburg belegenen Wohnimmobilie – den bedeutendsten Vermögensgegenstand – das deutsche Recht gewählt und sich hierauf gegenständlich beschränkt gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. Die Nachlassspaltung lässt eine derartige Begrenzung der Erbeinsetzung – da sie den gesamten, dem deutschen Recht unterliegenden Spaltnachlass erfasste, zu.
Rz. 58
Unter der Geltung der Erbrechtsverordnung kommt es nun zur Geltung deutschen Rechts für das gesamte Vermögen (Art. 21 EuErbVO). Damit entfällt die Nachlassspaltung. Die auf die Immobilie begrenzte Erbeinsetzung wird damit unzulässig, da es im deutschen Recht eine gegenstandsbezogene Erbeinsetzung nicht gibt. Im Rahmen der Auslegung stellt sich dann die Frage, ob hierin möglicherweise (i) eine Vermächtniszuwendung vor dem Hintergrund der gesetzlichen Erbfolge zu sehen ist, ein (ii) Vorausvermächtnis zugunsten der überlebenden Ehegatten, (iii) eine quotale Erbeinsetzung oder vielleicht (iv) auch eine Alleinerbeinsetzung auf den gesamten Nachlass. Um daher künftigen Streit über die Auslegung zu vermeiden, sollte hier eine Klarstellung erfolgen:
Muster 26.1...