Rz. 16
Gem. Art. 3a Abs. 2 EGBGB (bis zum 10.1.2009: Art. 3 Abs. 3 EGBGB) bezogen sich die Verweisungen des deutschen internationalen Erbkollisionsrechts nicht auf solche Gegenstände, die sich in einem Staat befinden, dessen Recht nicht anwendbar ist, die aber nach dem Recht dieses Staates "besonderen Vorschriften" unterliegen. Diese besonderen Vorschriften werden dann vorrangig vor dem auf den gesamten Nachlass anwendbaren Erbstatut (Gesamtstatut) angewandt.
Nach Art. 30 EuErbVO können nunmehr nur noch solche besonderen Regelungen des Belegenheitsstaates für im Ausland belegene Nachlassgegenstände vorrangig beachtet werden, die für bestimmte unbewegliche Sachen, Unternehmen oder andere besondere Arten von Vermögenswerten in Bezug auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen aus wirtschaftlichen, familiären oder sozialen Erwägungen die Erbfolge beschränken oder berühren, soweit sie auf die Rechtsnachfolge von Todes unabhängig von dem auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Recht anzuwenden sind.
Rz. 17
"Besondere Regelungen" in diesem Sinne sind (unumstritten) solche Regeln, die aus wirtschafts- oder gesellschaftspolitischen Gründen eine von den allgemeinen Regeln abweichende Erbfolge vorsehen. Dies gilt z.B. für Erbhofregeln. Die österreichische Rechtsprechung rechnet auch die Regeln über die Berechtigung des überlebenden Ehegatten an der gemeinsamen Eigentumswohnung dazu.
Rz. 18
Praktischer Hauptanwendungsfall von Art. 3a Abs. 2 EGBGB in der erbrechtlichen Praxis war, dass die Kollisionsnormen des Belegenheitsstaates dort belegenes Vermögen allein aufgrund seiner Belegenheit dem dort geltenden Erbrecht unterwerfen (kollisionsrechtliche Nachlassspaltung), vor allem in den Ländern, in denen für die Erbfolge des unbeweglichen Vermögens auf das jeweilige Belegenheitsrecht verwiesen wird, (die common-law Rechtsordnungen wie England, die USA, Kanada, Südafrika etc. sowie die Russische Föderation, China, Indonesien). Das gleiche gilt, wenn der ausländische Staat das gesamte dort belegene Vermögen seinem Erbrecht unterwirft – wie z.B. Lettland und Panama. Im Rahmen von Art. 30 EuErbVO finden solche kollisionsrechtlichen Sonderregelungen nun keine Beachtung mehr. Die sich aus ihnen ergebende Sonderanknüpfung bleibt also künftig aus Sicht der Mitgliedstaaten unbeachtet.
Unberührt bleibt trotz dieser Gesetzesänderung aber bei der Nachlassplanung die Notwendigkeit, den sich hieraus ggf. ergebenden internationalen Entscheidungsdissens zu beachten, um auch den rechtlichen Anforderungen aus Sicht des ausländischen Belegenheitsstaates Rechnung zu tragen.
Rz. 19
Eine entsprechende Sonderanknüpfung für Immobilien ergibt sich z.B. in den folgenden Staaten (in den mit * markierten Staaten auch für bewegliches Vermögen):
Albanien |
Kanada |
Russland (Gleiches gilt auch aufgrund des mit Russland bestehenden bilateralen Abkommens) |
Argentinien* |
Kasachstan |
San Marino |
Australien |
Malaysia |
Südafrika |
Bolivien |
Mexiko* |
Thailand |
China, Volksrepublik |
Neuseeland |
Türkei (Entsprechendes gilt aufgrund des mit der Türkei bestehenden bilateralen Nachlassabkommens) |
Ghana |
Pakistan |
Ukraine (Gleiches gilt auch aufgrund des mit der Ukraine bestehenden bilateralen Abkommens) |
Großbritannien |
Panama* |
USA |
Indien |
Paraguay |
Weißrussland (Belarus) (Gleiches gilt auch aufgrund des mit Belarus bestehenden bilateralen Abkommens) |
Irland |
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Rz. 20
Muster 26.4: Faktische Nachlassspaltung für Vermögensteile im Ausland
Muster 26.4: Faktische Nachlassspaltung für Vermögensteile im Ausland
Ich bin deutscher Staatsangehöriger. Ich besitze eine Eigentumswohnung in Toronto. Ich gehe davon aus, dass hierfür aus Sicht der kanadischen Gerichte das Erbrecht der kanadischen Provinz Ontario gilt und es daher zu einer Nachlassspaltung kommt. Die im Folgenden getroffenen Verfügungen sollen – soweit möglich – für meinen gesamten Nachlass gelten. Soweit nicht das deutsche Erbrecht zur Anwendung kommt, sollen sie so ausgelegt werden, dass der Nachlass so verteilt wird, als ob deutsches Erbrecht für den gesamten Nachlass gelten würde.
Alternativ: Die im Folgenden getroffenen Verfügungen gelten ausschließlich für den deutschem Erbrecht unterliegenden Nachlass. Über den Nachlass, der dem Recht von Ontario unterliegt, werde ich eine gesonderte Verfügung treffen, die die Wirksamkeit der hier getroffenen Verfügungen nicht berühren soll.