I. Mehrstaater
Rz. 92
Bei Mehrstaatern führt die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit zu keinem eindeutigen Ergebnis. Vielmehr bedarf es einer kollisionsrechtlichen Hilfsnorm, die zeigt, welche Staatsangehörigkeit vorrangig zu beachten ist. Gem. Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB ist in diesen Fällen vorrangig immer die deutsche Staatsangehörigkeit zu beachten. Ist keine Staatsangehörigkeit die deutsche, entscheidet gem. Art. 5 Abs. 1 S. 1 EGBGB die Zugehörigkeit zu dem Staat, in dem der Betreffende tatsächlich gelebt hat oder dem er auf andere Weise durch den Verlauf seines Lebens eng verbunden war (Grundsatz der effektiven Staatsangehörigkeit).
Unter der Erbrechtsverordnung ist die Staatsangehörigkeit als Anknüpfungspunkt allenfalls noch bei der Rechtswahl von Bedeutung. Art. 22 Abs. 1 UA. 2 EuErbVO bestimmt, dass eine Person, die mehrere Staatsangehörigkeiten besitzt, das Recht eines der Staaten wählen kann, denen sie im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt ihres Todes angehört. Ein Mehrstaater kann also das Recht jedes der Staaten wählen, denen er angehört.
II. Staatenlose
Rz. 93
Auf Grund von Art. 12 Abs. 1 des New Yorker Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen vom 28.9.1954, das für die Bundesrepublik Deutschland am 24.1.1977 in Kraft getreten ist, bestimmt sich das Personalstatut eines Staatenlosen nach seinem Wohnsitz oder, wenn er keinen Wohnsitz hat, nach seinem Aufenthalt. Art. 5 Abs. 2 EGBGB bestimmt dagegen, dass das Recht des Staates anzuwenden ist, in dem der Staatenlose seinen gewöhnlichen Aufenthalt, oder mangels eines solchen, seinen Aufenthalt hat. Da der "Wohnsitz" i.S.v. Art. 12 Abs. 1 Staatenlosenübereinkommen so ausgelegt wird, wie der "gewöhnliche Aufenthalt" des deutschen Rechts, ergibt sich aus dem unterschiedlichen Wortlaut aber kein inhaltlicher Widerspruch. Diese Ersatzanknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt gilt gem. Art. 5 Abs. 2 EGBGB darüber hinaus auch dann, wenn beim Erblasser keine Staatsangehörigkeit festgestellt werden kann.
Rz. 94
Durch den Übergang von der Staatsangehörigkeit auf die Anknüpfung auf den gewöhnlichen Aufenthalt mit dem Anwendungsstichtag für die Erbrechtsverordnung ergibt sich daher für Staatenlose keine Änderung. Diese profitieren auch nicht von der Einführung der Rechtswahl, denn eine Wahl des Rechts des Staates, dem er angehört ist für einen Staatenlosen aufgrund seiner Staatenlosigkeit ausgeschlossen. Allenfalls wäre zu überlegen, ob deswegen, weil für ihn das Recht des Staates, in dem er seinen Wohnsitz- bzw. seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, gem. Art. 12 Abs. 1 Staatenlosenübereinkommen sein "Heimatrecht" ist, er gem. Art. 22 EuErbVO dieses Recht wählen kann. Nachdem das Staatenlosenübereinkommen aber nicht zwingend in allen Mitgliedstaaten der EU gilt, dürfte eine entsprechende Interpretation der Verordnung durch das Staatenlosenübereinkommen methodisch nicht überzeugend sein.
III. Flüchtlinge und Asylberechtigte
Rz. 95
Gem. Art. 12 Abs. 1 des Übereinkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.7.1951 (Genfer Flüchtlingskonvention) ist das Recht des Wohnsitzlandes eines Flüchtlings oder, wenn er keinen Wohnsitz hat, das Recht seines Aufenthaltslandes sein Personalstatut. Die Staatsangehörigkeit spielt also für die Anknüpfung des Erbstatuts keine Rolle mehr.
Die Prüfung der Flüchtlingseigenschaft erübrigt sich in zwei wichtigen Fällen: Gem. § 2 Asylverfahrensgesetz erhalten anerkannte Asylsuchende sowie gem. § 3 Asylverfahrensgesetz Personen, bei denen unanfechtbar die Voraussetzungen eines Abschiebeverbots gem. § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz amtlich festgestellt worden sind, die Rechtsstellung eines Flüchtlings nach der Genfer Flüchtlingskonvention.
Rz. 96
Da mit der Erbrechtsverordnung die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit aufgehoben worden ist, hat das Übereinkommen für das Erbrecht grundsätzlich keine Bedeutung mehr. Vielmehr gerät die sich aus dem Übereinkommen ergebende ersatzweise Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt nun zur Regelanknüpfung. Es ist aber an zwei Sonderfälle zu denken:
In den bilateralen Abkommen mit dem Iran und der Türkei ist die Staatsangehörigkeit weiterhin für die Anknüpfung des Erbstatuts von Bedeutung. Diese Anknüpfung kommt wegen des Vorrangs der Genfer Konvention bei internationalen Flüchtlingen daher nicht mehr zum Zuge.
Rz. 97
Muster 26.19: Internationaler Flüchtling
Muster 26.19: Internationaler Flüchtling
Ich bin iranischer Staatangehöriger. Aufgrund Bescheid des (…) vom (…) ist mein Asylrecht rechtskräftig festgestellt worden. Da ich meinen Lebensmittelpunkt und gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland habe, gilt für die Erbfolge nach meinem Tod das deutsche Recht.
Noch zu klären ist meines Erachtens auch noch der Fall der Rechtswahl: Die wohl überwiegende Ansicht will die EuErbVO über Art. 12 Genfer Flüchtlingskonvention korrigieren. Ein Flüchtl...