1. Internationales Erbrecht
Rz. 192
Für alle nach dem 17.8.2015 eintretenden Erbfälle wird sich das auf die Erbfolge anwendbare Recht aus französischer Sicht nach den Regeln der EuErbVO richten, Art. 83 EuErbVO.
Rz. 193
Nach dem bislang geltenden autonomen IPR unterlag der unbewegliche Nachlass gem. Art. 3 Abs. 2 franz. code civil (c.c.) dem jeweiligen Belegenheitsrecht. Auf die Erbfolge des beweglichen Vermögens wurde das am letzten Wohnsitz (domicile) des Erblassers geltende Recht angewandt. Eine Rechtswahl war nicht möglich.
Rz. 194
Seit dem Arrêt Forgo war das französische internationale Erbrecht Renvoi-freundlich. Sowohl die einfache Rückverweisung als auch die Verweisung auf das Recht eines dritten Staates (Weiterverweisung) werden befolgt. Nach neuerer Rechtsprechung der Cour de Cassation soll dies allerdings nur noch dann gelten, wenn die Beachtung des ausländischen Kollisionsrechts zur Nachlasseinheit führt.
Das Haager Testamentsformübereinkommen vom 5.10.1961 ist für Frankreich seit dem 19.11.1967 verbindlich und ist gem. Art. 75 Abs. 1 EuErbVO auch nach dem 16.8.2015 weiterhin vorrangig anwendbar. Dabei wird unter dem Begriff der Form auch die Zulässigkeit der gemeinschaftlichen Testamentserrichtung qualifiziert (siehe unten Rdn 206).
2. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
Rz. 195
Erben erster Ordnung sind die Abkömmlinge des Erblassers, Art. 735 c.c. In zweiter Ordnung erben die Eltern jeweils zu einem Viertel und Geschwister zu der anderen Hälfte, Art. 738 c.c. Das einem vorverstorbenen Elternteil gebührende Viertel wächst den Geschwistern des Erblassers zu, Art. 738 Abs. 2 c.c. In den weiteren Erbordnungen wird der Nachlass auf die mütterliche und die väterliche Linie hälftig geteilt, Art. 738–1 c.c. (fente).
Rz. 196
Der überlebende Ehegatte – das gilt gleichermaßen für die heterosexuelle wie für die homosexuelle Ehe – erbt neben Abkömmlingen nach seiner Wahl einen Nießbrauch am gesamten Nachlass oder ein Viertel der Erbschaft zu vollem Eigentum, Art. 757 c.c. Die Nichtausübung der Wahl gilt als Option für den Nießbrauch, Art. 758–3 f. c.c. Hinterlässt der Erblasser Kinder, die Stiefkinder des überlebenden Ehegatten sind, so erhält der Ehegatte aber zwingend das Viertel zu vollem Eigentum. Eine weitere Einschränkung des Ehegattennießbrauchs ergibt sich aus dem Recht der Abkömmlinge, nach Eintritt des Erbfalls die Umwandlung des Nießbrauchs in eine Leibrente zu verlangen (Umsetzungsrecht).
Rz. 197
Zusätzlich zum Erbrecht erhält der Ehegatte gem. Art. 764 c.c. ein lebenslanges dingliches Wohn- und Nutzungsrecht an der Wohnung – welches auf sein Erbrecht aber angerechnet wird. Bei einer Mietwohnung beschränkt sich dieses Recht auf die Einrichtung, Art. 765–2 c.c. Neben Eltern des Erblassers erhält der Ehegatte die Hälfte als Erbe, Art. 757–1 Abs. 1 c.c. Ist einer der Eltern vorverstorben, fällt auch dessen Viertel dem Ehegatten zu, Art. 757–1 Abs. 2 c.c. Sind beide Eltern vorverstorben, wird der Ehegatte gesetzlicher Alleinerbe, Art. 757–2 c.c.
Rz. 198
Beachte
Nur die Scheidung schließt gem. Art. 732 c.c. das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten aus, die faktische oder gerichtliche Trennung und Rechtshängigkeit einer Scheidungsklage aber noch nicht. Er muss daher in einem solchen Fall ausdrücklich testamentarisch enterbt werden.
Rz. 199
Pflichtteilsberechtigt sind die Abkömmlinge des Erblassers. Die Pflichtteilsquote – also der nicht frei verfügbare Teile des Nachlasses – beträgt die Hälfte für das einzige Kind, ⅔ für 2 Kinder und ¾ für drei und mehr Kinder. Das Pflichtteil der Aszendenten ist im Rahmen der Erbrechtsreform 2006 abgeschafft worden. Der überlebende Ehegatte hat gem. Art. 914–1 c.c. ein Pflichtteil in Höhe von einem Viertel des Nachlasses erst dann, wenn der Erblasser keine Abkömmlinge hinterlassen hat. Im Rahmen der ersten Erbordnung hat er ein zwingendes Recht in Form eines einjährigen Wohnrechts gem. Art. 763 c.c., und nach Art. 767 c.c. bei Bedürftigkeit einen Anspruch auf eine Unterhaltsrente.
Rz. 200
Eine Einschränkung der Pflichtteile ergibt sich für von Verfügungen zugunsten des Ehegatten (Art. 1094–1 c.c.). Danach kann der Erblasser dem Ehegatten zuwenden:
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die verfügbare Quote – also je nach Kinderzahl ½ bis ¼ – zu Eigentum; |
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¼ zu Eigentum und an dem Rest einen Nießbrauch; oder |
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den Nießbrauch am gesamten Nachlass. |
Rz. 201
Muster 26.36: Maximale Begünstigung des Ehegatten
Muster 26.36: Maximale Begünstigung des Ehegatten
Soweit mein Nachlass dem französischen Erbrecht unterliegt, setze ich für den Fall, dass mein Ehegatte mich überlebt und zum Zeitpunkt des Erbfalls die Ehe weder gerichtlich getrennt ist noch ein Antrag auf Scheidung gerichtlich anhängig ist, meinen Ehegatten zum Vermächtnisnehmer in Bezug auf den gesamten Nachlass (légataire universel) ein.
Sollten zum Zeitpunkt de...