Rz. 75
Die Zulässigkeit und die materielle Wirksamkeit einer Verfügung von Todes wegen mit Ausnahme eines Erbvertrags, also materielle Gültigkeit eines Testaments wird aus Gründen des Vertrauensschutzes wie schon in Art. 26 Abs. 5 S. 1 EGBGB a.F. auch in Art. 24 Abs. 1 EuErbVO nicht dem – zum Zeitpunkt der Errichtung noch nicht sicher feststellbaren – Erbstatut unterstellt, sondern einem nach den Umständen zum Zeitpunkt seiner Errichtung bestimmten "Errichtungsstatut". Es gilt also das Recht, welches er gem. Art. 22 EuErbVO im Testament oder vor Errichtung des Testaments für die Erbfolge gewählt hatte bzw. das Recht des Staates, in dem er bei Errichtung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Ein späterer Wechsel der für die Anknüpfung maßgeblichen Umstände – also eine Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts bzw. der Widerruf einer gem. Art. 22 EuErbVO getroffenen Rechtswahl können daher die Wirksamkeit nicht mehr beeinträchtigen.
Darüber hinaus kann der Erblasser die Zulässigkeit und die materielle Wirksamkeit des Testaments einem der Rechte, die er gem. Art. 22 EuErbVO wählen kann – also seinem Heimatrecht – unterstellen. Auf diese Weise kann er im Wege einer "Teilsrechtswahl" (depeçage) die Wirksamkeit des Testaments einem anderen Recht unterstellen, als die Erbfolge selber und auf diese Weise im Wege eines "law picking" sich die für seine Gestaltung geeigneten Rechtsregeln zusammenstellen ("kleine Rechtswahl").
Rz. 76
Das Errichtungsstatut beschränkt sich allerdings auf die Frage, ob die Testierfähigkeit vorlag, ob diese Art der Verfügung (einfaches oder gemeinschaftliches Testament, Erbvertrag) zulässig war und ob die sonstigen materiellen Wirksamkeitsvoraussetzungen gegeben sind. Nicht umfasst werden die Wirkungen des Testaments. Diese unterliegen vielmehr dem "effektiven" Erbstatut. Hat der Erblasser dieses Recht nicht durch Rechtswahl auf eines seiner Heimatrechte gem. Art. 22 EuErbVO fixiert, so wird dieses wegen der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt des Eintritts des Erbfalls quasi wandelbar bestimmt. Entfaltet nach dem effektiven Erbstatut die getroffene Verfügung keine Wirkungen (z.B. Nacherbeinsetzung im italienischen Recht; Testamentsvollstreckung im slowakischen Recht), so kann das Errichtungsstatut hierüber nicht hinweghelfen und die (wirksam) getroffenen Verfügungen sind im Ergebnis wirkungslos.
Rz. 77
Schließlich ist für den Fall des Umzugs in einen Staat, in dem die EuErbVO nicht gilt, zu beachten, dass in dem Staat, in den der Testator gezogen ist oder in dem sich ein Teil seines Vermögens befindet, die Wirksamkeit des Testaments nach einem anderen Recht beurteilt werden könnte (z.B. weil er, wie verbreitet, die Wirksamkeit dem nach den Umständen zum Zeitpunkt des Todes angeknüpften "effektiven" Erbstatut entnimmt). Man spricht dann von einem "international hinkenden Testament".
Rz. 78
Muster 26.17: Hinweis auf mögliche Unwirksamkeit des Testaments im Ausland
Muster 26.17: Hinweis auf mögliche Unwirksamkeit des Testaments im Ausland
Der Testator hat bewegliches und unbewegliches Vermögen in der kanadischen Provinz Ontario. Der Notar hat den Testator darauf hingewiesen, dass in Bezug auf das in Kanada belegene unbewegliche Vermögen aus dortiger Sicht das Erbrecht der jeweiligen kanadischen Provinz zur Anwendung kommen kann und dass die materielle und formelle Wirksamkeit sowie die Wirkungen dieses Testaments aus Sicht der kanadischen Gerichte und Behörden möglicherweise abweichend vom deutschen Recht beurteilt werden. Der Notar hat den Testator über den Inhalt des kanadischen Rechts nicht belehrt und darauf hingewiesen, dass er die Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit des Testaments in Kanada durch einen im kanadischen Erbrecht kundigen professionellen Berater prüfen lassen sollte.
Die in Deutschland wohl überwiegende Ansicht will danach differenzieren, wie die Frage im Ausland behandelt wird. Für die meisten Länder ist nach diesen Abgrenzungskriterien freilich eine nachvollziehbare Einordnung praktisch nicht durchzuführen.