1. Bedeutung
Rz. 140
Dem internationalen Güterrecht kommt im Erbrecht eine besondere Bedeutung zu. Die güterrechtliche Auseinandersetzung ist stets vorrangig vor der erbrechtlichen durchzuführen und kann zur Verschiebung erheblicher Nachlasswerte auf den überlebenden Ehegatten oder in den Nachlass führen. Diese Vermögentransfers sind häufig erbschaftsteuerfrei oder begünstigt. Bei Geltung deutschen Rechts für die Erbfolge kann schließlich durch die Geltung der Zugewinngemeinschaft über das Güterrecht auch der Pflichtteil der Verwandten manipuliert werden.
2. Anknüpfung des Güterstatuts nach der EuGüVO
Rz. 141
Für alle ab dem 29.1.2019 geschlossenen Ehen bestimmt sich das auf die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe anwendbare Recht nach der Europäischen Verordnung zur Durchführung einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstands (EuGüVO) vom 24 Juni 2016. Die EuGüVO gilt auch dann, wenn die Eheleute nach dem 29.1.2019 eine güterrechtliche Rechtswahl vereinbaren. Für alle vor dem 29.1.2019 geschlossenen Ehen bleibt es dagegen weiterhin bei der Geltung von Art. 15 EGBGB a.F. (bzw. bei Heirat vom dem 9.4.1983 von Art. 220 Abs. 3 EGBGB) in der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung, Art. 229 § 47 EGBGB.
Rz. 142
In erster Linie gilt gem. Art. 26 Abs. 1 lit. a EuGüVO das Recht des Staates, in dem die Ehegatten nach der Eheschließung ihren ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben. Leben diese also schon bei Eheschließung gemeinsam dauerhaft in demselben Staat, so gilt also das Recht dieses Staates, auch wenn die Eheleute die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates haben.
Beispiele
Zwei türkische Staatsangehörige, die in Deutschland geboren sind und hier aufgewachsen sind, haben in Izmir geheiratet. Anschließend sind sie wieder nach Deutschland zurückgekehrt, wo beide arbeiten und zusammen wohnen. Für sie gilt das deutsche Güterrecht.
Rz. 143
Zweifelhaft ist nach dem Wortlaut die Situation, wenn Eheleute in demselben Staat an verschiedenen Orten leben, also keinen "gemeinsamen" gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die Literatur will auch in diesem Fall eine Geltung des Rechts des Aufenthaltsstaates bejahen. Die Frage ist aber letztlich noch offen. Unklar ist auch, wieviel Zeit bei zunächst getrennt lebenden Eheleuten nach der Eheschließung verstreichen darf, damit man noch von einem "ersten" gewöhnlichen Aufenthalt sprechen kann und nicht auf die nächste Stufe übergegangen werden muss.
Rz. 144
Hatten die Ehegatten nach der Eheschließung keinen ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt im selben Staat, so ist gem. Art. 26 Abs. 1 lit. b EuGüVO ersatzweise das Recht des Staates anzuwenden, dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung besitzen. Haben die Eheleute auch keine gemeinsame Staatsangehörigkeit oder haben sie mehrere gemeinsame Staatsangehörigkeiten (Art. 26 Abs. 3 EuGüVO), so gilt gem. Art. 26 Abs. 1 lit. c EuGüVO das Recht des Staates, mit dem die Ehegatten unter Berücksichtigung aller Umstände zum Zeitpunkt der Eheschließung gemeinsam am engsten verbunden sind.
Rz. 145
Aufgrund der Anknüpfung an die Umstände bei bzw. kurz nach der Eheschließung ist die Anknüpfung des Güterstatuts auch nach der EuGüVO unwandelbar. Eine spätere Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts bzw. ein Wechsel der Staatsangehörigkeit durch die Eheleute wirkt sich auf das Güterstatut daher nicht mehr aus. Art. 25 Abs. 3 EuGüVO sieht aber ausnahmsweise eine Verschiebung des Anknüpfungszeitpunkts zu. So kann das Gericht, das für Fragen des ehelichen Güterstands zuständig ist, auf Antrag eines der Ehegatten entscheiden, dass statt des Rechts am ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Eheleute das Recht eines anderen Staates für den ehelichen Güterstand gilt, sofern die Ehegatten ihren letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in diesem anderen Staat über einen erheblich längeren Zeitraum hatten und beide Ehegatten auf das Recht dieses anderen Staates bei der Regelung oder Planung ihrer vermögensrechtlichen Beziehungen vertraut hatten. In diesem Fall gilt das Recht des letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts der Eheleute, und zwar gem. Art. 26 Abs. 3 UA 2 EuGüVO rückwirkend auf den Zeitpunkt der Eheschließung. Es tritt also kein Statutenwechsel ein. Dies gilt aber nicht, wenn sich das Güterstatut mangels eines ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts nach der Staatsangehörigkeit oder der engsten Verbindung der Eheleute bestimmt, oder wenn diese vor der Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts in den anderen Staat einen Ehevertrag abgeschlossen haben.
Rz. 146
Die Anknüpfung des Güterstatuts nach der EuGüVO führt zu einer Sachnormverweisung. Gem. Art. 33 EuGüVO ist nach Verweisung auf ein ausländisches Recht unmittelbar das materielle Güterrecht dieses Staates anzuwenden (Sachnormverweisung). Eine Rückverweisung auf das deutsche Recht bleibt unbeachtet.